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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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hält eine fast leere Wodkaflasche in der Hand und blickt durch eine kleine Glasscheibe nach draußen in die Nacht.
    »Tut mir leid, Kumpel«, sage ich und gebe ihm einen aufmunternd gemeinten Klaps. Für einen Moment vergesse ich, wieso ich eigentlich hier bin.
    »Mein Fehler«, gibt Mike zu. »Entschuldige, Mark. Das wusste ich wirklich nicht. Ich meine, wenn nur die Hälfte dessen stimmt, was Barnie gerade erzählt hat, dann ist das ja eine komplett Irre.«
    Ich zucke mit den Schultern. »Exfreundin halt.«
    »Was gibt’s?«, fragt Barnie.
    »Ach so, ja. Du wirst Vater. Jetzt gleich. Jede Minute quasi.«
    »Was hast du geraucht, Mark?«
    »Nein, nichts. Nur getrunken. Wir sollten Lilly ins Krankenhaus fahren.«
    »Ich verstehe immer noch kein Wort.«
    »Fruchtblase«, erkläre ich. »Sie ist geplatzt.«
    »Du verarschst mich doch.«
    »Kein bisschen.«
    Barnie sieht erst mich an, dann Mike. Dann sprintet er los. Keine Minute später kommt er mit Lilly zurück. Er trägt sie auf Händen. Luisa und die Zwillinge folgen aufgeregt.
    Mike dreht den Schlüssel um und hält uns die Türe auf.
    »Guter Mann«, lobe ich ihn.
    »Schnell! Weiter!« Barnie gibt unbestimmte Kommandos, während er Lilly die Autotür aufhält und beide im Fond Platz nehmen.
    Luisa, Mike, ich und die Zwillinge blicken uns kurz an. »Ich kann nicht mehr fahren!«, sagen wir einstimmig.
    »Dann fahr du!«, fordert Barnie Lilly auf.
    »Bist du noch zu retten? Ich krieg gleich ein Kind!«
    Luisa sieht mich erwartungsvoll an. Ich nicke und hoffe auf eine rettende Idee, während ich zurück auf unsere Party laufe. Ich schnappe mir das Mikrofon und gebe dem DJ ein Zeichen. »Wer kann noch fahren?«, brülle ich durch den Saal.
    Die einzige Hand, die sich hebt, ist die des Kutschers.
    Luisa
    Kaum zu glauben, dass ein Kutscher keinen Führerschein hat. Jedenfalls sind wir jetzt sehr froh, den netten alten Herrn zum Essen eingeladen zu haben. Auch wenn er das Auto nicht fahren kann: In nur fünf Minuten hat er seine beiden Pferde von der Weide nebenan geholt und eingespannt. Barnie, Lilly, Mark und ich steigen ein, Mike muss mangels Platz zurückbleiben. Er verspricht aufzupassen, dass die Party nicht endet, bevor wir zurück sind.
    Und dann geht es in Windeseile los … Pustekuchen. Trabende Pferde sind gar nicht so schnell, wie man immer denkt. Trotzdem schüttelt es uns mächtig durch in der Kutsche. Lilly jammert nur ein bisschen. Wenigstens ist es nicht kalt.
    Die Wehenabstände verkürzen sich viel zu schnell. Ich kenne mich da nicht besonders gut aus, aber mir scheint es, als stünden alle Zeichen auf Sturzgeburt. Mark weiß auch nicht recht, was er tun soll. Er ist zwar Arzt, aber leider kein Gynäkologe. Soweit ich weiß, war er noch bei keiner einzigen Geburt dabei, außer seiner eigenen. Aber da war er wie alt?
    Ich spüre, wie der Kutscher leicht die Richtung verändert und auf die andere Straßenseite zieht. »Was ist?«, frage ich besorgt.
    Der Kutscher deutet in die Nacht hinaus.
    Fünfzig Meter vor uns erkenne ich die Umrisse einer Person. Je näher wir kommen, desto mehr Details können wir erkennen. Eine Frau in einem Kleid. Die Schuhe in der linken Hand. Den Kopf gesenkt. Die Haare zerzaust. Langsam fahren wir an ihr vorbei. Sie blickt nicht auf.
    »Halten Sie kurz an?«, bittet Mark den Kutscher.
    »Mark!«, zischt Barnie.
    Lilly stöhnt vor Schmerzen.
    Ich warte ab.
    »Alles klar?«, fragt mein Mann den Störenfried besorgt. Mark hat einfach ein zu großes Herz. Er würde selbst seinem übelsten Feind noch die Hand zur Versöhnung ausstrecken. Was rede ich da? Er tut es ja bereits. Franziska war nicht nett zu mir, aber zu Mark war sie grausam. »Sollen wir dir nachher unsere Kutsche schicken?«
    »Leck mich!«, faucht Franziska.
    Mark seufzt. Dann gibt er dem Kutscher ein Zeichen.
    »Hüa!«
    Wir setzen uns wieder in Bewegung.
    Barnie steht der Schweiß auf der Stirn. Ich sehe die Angst in seinen Augen. Mark kratzt sich unruhig am Hinterkopf. Ein eindeutiges Zeichen, dass er nachdenkt. Ich hoffe darüber, wie er es schaffen könnte, dass sich diese Franziska nie mehr in unser Leben einmischt. Wahrscheinlich müsste er ihr bloß seine ewige Liebe schwören. Dann wäre sie am nächsten Tag verschwunden, weil sie sich so langweilen würde.
    Gott sei Dank tauchen endlich die Lichter Münchens in der Ferne auf. Ich bin unglaublich erleichtert. Lilly zerquetscht fast meine Hand und hechelt engagiert. Ich schließe die Augen. Bis vor ein
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