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Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen

Titel: Wer ins kalte Wasser springt, muss sich warm anziehen
Autoren: Julia Baehr , Christian Boehm
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Bekannte von Mark. Franziska hat tatsächlich die Chuzpe, sich am rechten Rand dazuzudrängen. Auf keinen Fall wird diese Frau meinen schönen Brautstrauß bekommen! Ich werde genau auf die linke Ecke zielen müssen, damit sie ihn nicht bekommt. Marie versteckt sich unauffällig hinter einem Buchsbaum, weit weg von der Tanzfläche. Das ist wahrscheinlich ein guter Einfall, heiratswütige Frauen verschrecken meinen Bruder leicht. Der DJ wechselt zu Chapel of Love , ich drehe mich um und werfe in hohem Bogen meinen schönen Rosenstrauß hinter mich.
    Sofort höre ich Jubel. Als ich mich umdrehe, sehe ich eine strahlende Lilly. Sie steht in der Mitte der Tanzfläche und hält meinen Strauß an sich gedrückt. Franziska stürmt schnaubend von dannen. Die anderen Frauen beglückwünschen Lilly. »Wird ja auch Zeit!«, höre ich eine meiner Cousinen auf Italienisch tuscheln. Barnie steht verlegen einige Meter weiter weg und sieht etwas einsam aus. »Und, wann ist es bei euch so weit?«, ziehe ich ihn auf, als ich mich zu ihm durchgekämpft habe.
    »Mal schauen.« Barnie nimmt einen Schluck von seinem Rotwein. »Jetzt bekommen wir erst mal ein Kind, und dann … sehen wir weiter.«
    »Zwing mich nicht, dir meine Großmutter auf den Hals zu hetzen.«
    »Bloß nicht! Ich werde Lilly heiraten. Ehrlich. Irgendwann.«
    »Schön. Willst du ein Stück Torte?«
    »Gibt es welche?«
    »Wenn wir sie anschneiden, schon«, sage ich und winke Mark zu mir.
    Die Hochzeitstorte ist eine echte Wucht. Dreistöckig, strahlend weiß mit cremefarbenen Marzipanrosen und obenauf ein Brautpaar. Super klassisch. Aber innendrin ist sie schokoladig, weil wir das am liebsten mögen. Vorsichtig nehmen wir gemeinsam das Messer in die Hand. Wessen Hand obenauf liegt, der wird auch in der Ehe die Oberhand haben, heißt es. Dass derjenige das Messer gar nicht so lenken kann, wird dabei gerne übersehen.
    Ich lasse Mark die Oberhand – in diesem einen Fall. Sofort bildet sich eine Schlange vor dem Tisch, ein Gast nach dem anderen stellt sich mit einem Teller an. Wir teilen die ersten Stücke selbst aus.
    Als Fünfte steht Franziska vor mir und hält mir ihren Teller hin. »Tolle Party, Luisa. Und wie mutig von dir, Weiß zu tragen. Bei deiner Figur.«
    »Danke«, erwidere ich freundlich. »Dieses Grün steht dir übrigens ausgesprochen gut. Für manche Farben ist man einfach nie zu alt.«
    »Mein Kleid ist von Dior. Das ist der Laden in der Maximilianstraße, wo man erst mal klingeln muss, damit Frauen wie du nicht eingelassen werden«, zischt Franziska herausfordernd.
    »Ja, wirklich schön. Ein bisschen nuttig vielleicht, aber dir steht’s.« Meine Hand mit dem Messer darin zuckt ein bisschen.
    »Bekomme ich keinen Kuchen?«, fragt Franziska eisig und deutet auf ihren Teller.
    Ich werte das als Zeichen, dass ich das Wortgefecht fürs Erste gewonnen habe. Trotzdem würde ich diesem Weib am liebsten Gift geben. Aber dann erinnere ich mich an die Lesung aus dem Paulusbrief bei unserer Trauung: »Wenn dein Feind Hunger hat, gib ihm zu essen, wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken; tust du das, dann sammelst du glühende Kohlen auf sein Haupt.« Glühende Kohlen. Klingt super! Ich ringe um Fassung, gebe Franziska ein extragroßes Stück und lächele sie an. »Lass es dir schmecken.«
    Was nun folgt, jetzt und hier, direkt vor aller Augen, ist ein Angriff auf das Allerheiligste, ein Verbrechen aus niedrigen Beweggründen, ein Terrorakt aus Verzweiflung. Blitzschnell, als hätte Franziska die Attacke von langer Hand geplant und einstudiert, greift sie mit einer Hand nach der Schokotorte, nimmt sie von ihrem Teller und wirft sie direkt auf mein Brautkleid. »Drecksschlampe!«, schreit sie. »Billiges Flittchen!«
    Mit Entsetzen verfolge ich jede ihrer Bewegungen, als würde sie sie in Zeitlupe ausführen. Träume ich?
    Mark
    Ich brauche einen Moment, um zu begreifen, was da gerade vor sich geht. Franziska bewirft Luisa mit Torte. Dazu schreit und flucht sie, provoziert damit erst mal aber keine Reaktion bei meiner Frau. Luisa wirkt wie in Trance. Als würde sie nicht begreifen, was mit ihr geschieht. Dann aber verengen sich ihre Augen, und ihr Mund wird zu einem schmalen Strich. Den Gesichtsausdruck kenne ich von ihren Temperamentsausbrüchen. »Schaaatz!«, rufe ich noch. »Niiiiiicht!«
    Mit einem Riesensatz springt sie Franziska an den Hals. Die taumelt einen Schritt zurück, fängt den Überraschungsangriff aber mit einem Ausfallschritt geschickt ab. Sie
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