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Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Wer hat Angst vor Jasper Jones?

Titel: Wer hat Angst vor Jasper Jones?
Autoren: Craig Silvey
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brauchst mich. Sonst schaffst du es nie.»
    «Du kannst nicht mitkommen, Jeffrey.»
    «
Scheiße.
Dann beiß die Zähne zusammen und reiß dich am Riemen, weil sie dir, so oder so, den Arsch aufreißen werden. War schön, dich gekannt zu haben, hin und wieder jedenfalls. Ich habe das möglicherweise schon erwähnt, aber diesmal meine ich es wirklich ernst: Du bist ein Idiot.»
    Ich lege ihm die Hand auf die Schulter und drücke sie.
    «Jeffrey, du bist der beste Freund, den ich je haben werde. Du bist für mich wie ein Bruder. Ich will, dass du das weißt.»
    «Warum? Bist du plötzlich schwul geworden?»
    «Weil ich dich gern hab, kleiner Mann. Aber ich muss das hier einfach tun. Verstehst du? Vertrau mir, es wird klappen wie am Schnürchen. Sie werden alle sehen, dass es nichts gibt, vor dem man Angst haben muss. Und dann streichen wir die Beute ein.»
    Resigniert und ein wenig empört schüttelt er den Kopf. Nach einer Weile fragt er:
    «Kann ich einen Pfirsich haben, wenn du es schaffst?»
    «Du kannst alle haben, Jeffrey. Du hast sie verdient.»
    Den Rest des Weges trotten wir schweigend dahin.
    Vor Lionels Gatter bildet sich ein Halbkreis. Einige bleiben sogar vorsichtshalber auf der anderen Straßenseite und halten Abstand. Die Stimmung ist angespannt. Warwick Trent grinst mich höhnisch an und lächelt, als habe er die Wette bereits gewonnen.
    «Und? Nun mach schon, du Arschgeige», sagt er und weist mit dem Kopf zum Cottage. «Wir sind schließlich nicht umsonst hergekommen.»
    Sie warten darauf, dass ich Ausflüchte mache. Dass ich anfange, zu zittern und zu beben beim Blick über das vergammelte Gelände und das unheimliche Gebäude. Sie glauben, ich würde zurückschrecken und aufgeben. Eine Aura aus Faszination und ahnungsvoller Bangigkeit geht von der Gruppe aus. Alle Augen sind auf mich gerichtet und auf das, was ich tun werde. Doch ich war schon drinnen. Ich kenne die Wahrheit. Also schaue ich Warwick Trent tief in die Augen, öffne das Gatter und stoße es weit auf. Ich steige über den Viehrost, ziehe kurz in Erwägung, mich umzudrehen und ein paar markige, tiefschürfende Worte von mir zu geben, lasse es aber sein. Ich zögere kurz, richte mich kerzengerade auf und schaue nach vorn.
    «Er macht sich in die Hose», höre ich jemanden sagen. Wahrscheinlich sind sie überrascht, dass ich überhaupt so weit gekommen bin.
    Vor aller Augen marschiere ich den Fahrweg entlang. Ich suche weder Deckung im Unkraut, noch gehe ich schleichend oder geduckt. Ich stolziere zum Baum wie noch kein Pfirsichdieb vor mir. Unverfroren. Frech wie Oskar. Ich schreibe Geschichte. Ich höre die gleiche Stimme hinter mir sagen, ich brächte mich um Kopf und Kragen, und grinse vor mich hin, während das Cottage vollends in mein Blickfeld rückt. Ich sehe den Pfirsichbaum, die Veranda und die verrostete Karosse des Wagens, draußen hinter dem Wellblechschuppen und dem Hühnerstall.
    Ich bin jetzt so weit entfernt, dass ich sie nicht mehr hören und auch ihre Gegenwart nicht mehr spüren kann. Doch obwohl ich weiß, dass ich keinerlei Gefahr ausgesetzt bin, ist es immer noch ein unheimliches und einschüchterndes Unterfangen. Ich beginne leiser aufzutreten, als ich mich dem Haus nähere. So sehr, dass Lionel Grund hätte, misstrauisch zu werden, wenn er jetzt herauskäme. Ich frage mich, ob er mich beobachtet. Ich höre das Zirpen der Grillen, kleine Bewegungen im Gras. Ich atme tief durch.
    Ich trample einen Pfad durch das hohe Gras und erreiche die knorrigen Äste des Pfirsichbaums. Es riecht süß und faulig. Doch als ich in das Blätterwerk hochschaue, rutscht mir das Herz in die Hose, und Furcht ergreift mich. Nicht ein einziger Pfirsich hängt am Baum. Er ist vollkommen leer. Es ist aus und vorbei mit der Pfirsichsaison. Natürlich.
So ein Mist!
Und damit auch mit mir. Vielleicht hat Warwick Trent es gewusst. Vielleicht war er deshalb so selbstgefällig und zuversichtlich. Ich schiebe mich näher heran und spähe zu den höher gelegenen Ästen hinauf, in der Hoffnung, eine Handvoll Nachzügler zu entdecken, die Weihnachten vielleicht überdauert haben. Doch es ist kein sattes Orange und kein Rot zu sehen. Ich sitze in der Patsche.
    Ich konzentriere mich so angestrengt auf den Baum, dass ich Jack Lionels Schatten gar nicht bemerke, der durch das offene Fenster seines Wohnzimmers fällt. Er beugt sich vor und späht nach draußen. Ich schrecke zusammen, als ich seine Stimme höre.
    «Charlie! Wie geht’s dir, mein
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