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Wer den Tod begruesst

Wer den Tod begruesst

Titel: Wer den Tod begruesst
Autoren: Cindy Gerard
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mich war.«
    Entsetzlich und demütigend. So war es damals. Es war der Preis dafür, Darin Kincaids Tochter zu sein. Sicherheitstore, Überwachungskameras und persönliche Leibwächter gehörten für sie zum täglichen Leben, so lange sie zurückdenken konnte.
    »Wie hieß er noch?«
    »Mein alter Leibwächter? Hector.«
    »Richtig. Langsam erinnere ich mich wieder. So groß wie ein Leuchtturm, stoisch wie ein Mönch und so hartnäckig wie Schweiß im August.«
    Jillian schnaubte laut. »Das klingt ganz nach Hector.«
    Die Erinnerung an Hectors Eingriffe in ihre Kindheit und daran, dass sie das begehrteste Ziel für Lösegelderpresser in ganz Südflorida war, weckten den alten Groll in ihr, den Jillian mühsam zu kontrollieren gelernt hatte. Sie hatte sich genauso verletzt gefühlt, als wäre sie gekidnappt worden. Sein massiger Schatten hatte immer im Hintergrund gelauert, hatte bedrohlich über allem gelegen, was sie getan hatte. Nichts war unantastbar gewesen. Geburtstagspartys, Schulbälle, Verabredungen … und Hector.
    Es war Jahre her, dass sie zuletzt an diese Zeit gedacht hatte – und dennoch waren einige Dinge nur allzu lebendig und ließen sie unwillkürlich in Abwehrstellung gehen.
    »Ich bin doch keine sechzehn mehr, du meine Güte, und jetzt stehe ich hier und wehre mich immer noch dagegen, dass mein Vater mein Privatleben kontrolliert. Das ist einfach zu viel, Räch. Das lasse ich nicht zu. Nicht noch einmal.«
    Jillian hörte, wie bitter sie klang, war aber machtlos dagegen. Sie hatte geschuftet wie ein Ackergaul, um im Fernsehjournalismus Karriere zu machen, die auf ihrer eigenen harten Arbeit und Leistung basierte, und sie würde sich von dem Menschen, der Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter hinterließ und ihr Droh-E-Mails schrieb, nicht ihr Privatleben nehmen lassen. Sie hatte viel zu hart dafür gearbeitet.
    »Er ist nur besorgt«, holte Rachael sie zurück in die Gegenwart. »Wie es jeder Vater in dieser Situation wäre.«
    »Fein. Das ist gut. Besorgnis ist verständlich«, sagte sie. »Aber vielleicht sollte er mal davon ausgehen, dass ich auf mich selbst aufpassen kann. City Place ist nicht gerade eine Frittenbude am Strand, verstehst du. Ich habe diesen Komplex und dieses spezielle Gebäude wegen seiner strengen Sicherheitsstandards ausgewählt. Und ich habe auch noch andere Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Als ich mir vor einigen Monaten eine Pistole gekauft habe, habe ich auch gelernt, damit umzugehen. Ich kann gut darauf verzichten, dass mein Vater darüber entscheidet, wie ich mich selbst zu schützen habe.«
    Sie spürte, wie ein dumpfer Kopfschmerz sich ankündigte, und – was soll’s – machte dafür gleich ebenfalls ihren Vater verantwortlich. Hier stand nicht nur ihre Freiheit auf dem Spiel. Sie hatte ihr ganzes Leben lang beweisen müssen, dass ihr Wert nicht nur darin bestand, Darin Kincaids Tochter zu sein. Diesen Kampf kämpfte sie immer noch, aber sie hatte wenigstens den Kampf gegen seine Überbesorgtheit überwunden geglaubt.
    »Gott. Hätte ich ihm bloß nie von den Drohungen erzählt«, murmelte sie, riss sich dann aber zusammen, weil ihr klar wurde, dass sie fast weinerlich klang. »Irgendein Verrückter erlaubt sich hier einen schlechten Scherz.«
    »Tod plus Bedrohung ergibt in meiner Gleichung nicht Scherz, also erwarte nicht von mir, dass ich mich für den Vorschlag, deinen Vater einzuweihen, entschuldige. Ich wäre wirklich keine wahre Freundin«, äffte Rachael Jillians Tonfall von vorhin nach, »wenn ich es nicht getan hätte.«
    »Ich weiß«, gab Jillian ihr Recht und fühlte sich plötzlich schrecklich müde. »Und ich mache es dir ja auch nicht zum Vorwurf. Du bist meine Freundin, Räch. Ich weiß nicht, was ich ohne dich täte.«
    »Nun ja, um einen durchschnittlichen Martini zu mixen reicht’s«, witzelte ihre langjährige Komplizin.
    All die Jahre waren sie immer füreinander da gewesen. Waren Freundinnen. Vertraute. Verbündete. Rachael hatte es sogar mit Leistungsturnen versucht in dem Jahr, in dem Jillian für die olympische Mannschaft nominiert worden war. Kürzlich erst hatte Jillian Rachael beigestanden bei ihrer unerfreulichen Scheidung, die viel Staub in den feinen Kreisen von Palm Beach aufgewirbelt und Rachael das Herz gebrochen hatte. Das lag sechs Monate zurück, und Rachael hatte es immer noch nicht überwunden.
    Der Fahrstuhl war am Ziel und hielt. Als die Türen nahezu geräuschlos aufglitten, trat Jillian hinaus in einen dezent
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