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Wer Böses Tut

Wer Böses Tut

Titel: Wer Böses Tut
Autoren: Elena Forbes
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Sie das nicht befremdlich?«
    Er zuckte mit den Achseln. ›Befremdlich‹ hätte er es nicht genannt.
    »Ich finde das Zeug, was in den Zeitungen steht, schlimm genug, besonders, wenn es um Kinder geht. Aber Sie sind solchen Dingen ja tagtäglich ausgesetzt. Ich bin überrascht, dass Sie nachts noch schlafen können.«
    »Manchmal kann ich es nicht.«
    Sarah sah ihn über ihr Glas hinweg fragend an, und er wusste, dass sie mehr hören wollte. Doch was sollte er sagen? Wollte sie wirklich wissen, wie sehr ihn manche Fälle verfolgten? So sehr, dass er nicht schlafen konnte? Dass sich manche Bilder einfach nicht ausradieren ließen? Wenn er ehrlich war, hatten ihn all die Mordfälle nicht abgehärtet, er hatte es nie geschafft, gegen den Schmutz und die Dunkelheit dessen, was er sah, immun zu werden oder die persönlichen Tragödien und Auswirkungen der Morde nicht an sich heranzulassen. Doch er hatte keine Lust, mit einer Frau, die er kaum kannte, beim Mittagessen eine Analyse anzufangen.

    »Es ist schwer in Worte zu fassen«, sagte er, in der Hoffnung, das Thema wechseln zu können; allerdings wusste er nicht recht, worüber sie sonst reden sollten. Über ihren Job als Dozentin - wie Nicoletta am Institut für moderne Sprachen am University College London - hatten sie bereits hinreichend gesprochen, und sonst hatte sich während ihrer Unterhaltung nichts ergeben.
    Sie schaute ihn skeptisch an: »Also, alles in allem machen Sie auf mich einen ganz normalen Eindruck.«
    Er nippte an seinem Wein. »Danke - wenn das als Kompliment gemeint ist.«
    »Ist es. Wissen Sie, wenn wir ›Berufe raten‹ spielen würden, wäre ich nie darauf gekommen, womit Sie Ihr Geld verdienen.«
    »Ich sehe also nicht wie ein Polizist aus? Jetzt bin ich aber enttäuscht. Ich hatte nie eine andere Arbeit, abgesehen von den Ferienjobs im Laden meiner Eltern.«
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Sie sehen definitiv nicht so aus, wie ich mir einen Polizisten vorstelle, jedenfalls keinen echten. Sie sind viel zu …« Sie zögerte ein wenig verlegen. »Im Fernsehen sind sie doch immer viel zu gut, oder? Und sie lösen immer den Fall.«
    Er nickte. »Leider ist das im wirklichen Leben nicht so.«
    Vom anderen Ende des Tisches kam ein spitzer Schrei, gefolgt vom Geräusch splitternden Glases. Er schaute hinüber und sah, wie Gianni unter Aufbietung sämtlicher Kräfte Carlo und Anna trennte, während Elisa zum Spülbecken rannte und einen Lappen holte, um das Chaos aufzuwischen.
    »Anna, Carlo, wenn ihr euch nicht benehmt, geht ihr in eure Zimmer«, sagte Nicoletta in ihre Richtung und verteilte große, weiße Platten mit dampfender Polenta und Kalbfleischscheiben, überhäuft von Pilzen, auf dem Tisch. Vorsichtig, um
ja nicht die Soße zu verschütten, stellte sie die Platten ab und wischte sich schnell die Hände an der Schürze ab.
    »Erzähl Sarah doch von deinen Fällen«, sagte sie zu Mark und strich sich einige Haarsträhnen hinters Ohr, ehe sie wieder an den Herd eilte. »Erzähl ihr von dem mit dem Bräutigam«, rief sie ihm durch den Raum zu.
    Er starrte sie an, erstaunt, dass sie den Fall beim Namen nannte, aber sie war schon wieder mit etwas anderem beschäftigt. Der Fall war zu frisch, ein zu heikles Thema, und außerdem einer von denen, die zu seiner derzeitigen Schlaflosigkeit beitrugen, was sie allerdings nicht zu wissen brauchte. Er und seine Kollegin, Sam Donovan, hatten bei dem Versuch, einen Serienmörder, der »der Bräutigam« genannt wurde, zu fassen, beinahe ihr Leben verloren. Näher war er dem Tod nie gewesen. Der Horror dessen, was hätte geschehen können, beschäftigte ihn immer noch, wieder und wieder liefen die Ereignisse in den wenigen Nachtstunden in seinem Kopf ab.
    »Ich glaube nicht, dass Mark am Sonntag über seine Arbeit reden will«, sagte John und trat mit einem großen Krug Wasser und einer Handvoll Vorlegebesteck an den Tisch. »Später kommt Rugby. Kannst du bleiben?«
    Tartaglia setzte gerade zu einer Antwort an, als er das Vibrieren seines Handys in der Tasche spürte. Er holte es heraus, las Chief Inspector Carolyn Steeles Namen auf dem Display und stand schnell auf, beinahe dankbar für die Unterbrechung.
    »Arbeit, fürchte ich«, sagte er zu Sarah, zuckte entschuldigend mit den Achseln und lief an Nicoletta vorbei, die mit einer weiteren Ladung Essen an den Tisch unterwegs war.
    »Hey, Marco«, rief sie ihm nach. »Du bleibst aber hier, oder?«
    Er ignorierte sie, ging in die Diele und stieß
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