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Wer Boeses saet

Wer Boeses saet

Titel: Wer Boeses saet
Autoren: Olivier Descosse
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sein, dass Sie hier unerwünscht sind.«
    Schwer zu sagen, ob sie die Vorbehalte ihres muskelbepackten Kollegen wirklich teilte. Marchand antwortete:
    »Das bin ich gewöhnt … Und Sie?«
    »Was, ich?«
    »Sie scheinen die Ermittlungen zu leiten.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nicht wirklich, nein … Mein Chef hat mich lediglich gebeten, noch einmal zum Tatort zurückzugehen, um ein, zwei Details zu überprüfen.«
    »Und damit sind Sie fertig?«
    »Kann man so sagen.«
    Der Kommissar steckte die Hände tief in die Taschen und schlug vor:
    »Dann können wir uns ja vielleicht einmal kurz umschauen?«
    »Ich begleite Sie.«
    Sie machte kehrt und führte ihn auf einen kleinen Pfad, der unter den Bäumen verschwand. Nach etwa fünfzig Metern ging es quer durch den Hochwald. Sie liefen durch das Unterholz, von dem das Naturschutzgebiet umgeben war. Dichte Vegetation, Kiefernnadeln, Harzduft. Nach zehn Gehminuten entdeckte François das Haus. Eine Ruine aus Methusalems Zeiten, offen in alle Himmelsrichtungen, das Dach an einigen Stellen einsturzgefährdet. Der Tatort war mit einem leuchtend gelben Plastikband abgesperrt, das man direkt an der Umzäunung angebracht hatte. Darauf stand in schwarzen Buchstaben der übliche Spruch: POLIZEI – ZUTRITT VERBOTEN .
    Der Kommissar folgte seiner Kollegin ins Innere. Es stank nach toter Ratte. Dämmerlicht. Dann, übergangslos, eine grelle Lichtflut. Das Licht rührte von einer ganzen Batterie von Scheinwerfern, die allesamt von einem Stromgenerator gespeist wurden, den die junge Frau soeben angeworfen hatte.
    François nahm den Ort genau unter die Lupe. Er war verlassen, verdreckt und voller Graffiti. In dem elektrischen Licht wirkten die Steine fast blass.
    Er fragte: »Haben Sie etwas gefunden?«
    »Nein. Die Spurensicherung der Polizei hat den Ort genau unter die Lupe genommen. Heute Morgen haben wir eine ganze Schicht Erde abgetragen, ohne Ergebnis.«
    »Lag hier die Leiche?«
    Die junge Frau zeigte auf einen in die Wand gehauenen Durchgang.
    »Nebenan.«
    François musste sich bücken, um den Gang durchqueren zu können. Drei Meter mit eingezogenen Schultern und verdrehtem Hals. Am anderen Ende lag ein noch etwas größerer, zugemüllter Raum. Die Ermittlerin deutete zum anderen Ende hinüber.
    »Oberkörper und Kopf lagen hier. Der Rest lag so gut wie überall verstreut.«
    Jetzt wusste François Bescheid. Er wollte den Tatort visualisieren, ihn ganz in sich aufnehmen, versuchen, sich in den Mörder hineinzuversetzen. Wie hatte er die Stücke transportiert? Hatte er die Leiche auf eine bestimmte Art positioniert? Und warum hatte er sie ausgerechnet hier abgelegt?
    Er sah sich den Tatort genau an, auf der Suche nach einem Detail. Vergeblich. Was er sah, war ein Dreckloch ohne jede Besonderheit, von den Schuhen vieler Unbekannter verschmutzt und mit leeren Getränkedosen zugemüllt. Die einzige Spur, die noch von dem Mord zeugte, waren getrocknete Blutlachen, die an verschiednen Stellen auf dem Boden zu sehen waren.
    Ohne bei seiner Untersuchung innezuhalten, fragte er:
    »Gibt es noch einen anderen Zugang?«
    »Man kann auch von der Straße hierherkommen. Aber das sind anderthalb Stunden Fußmarsch.«
    »Hatten Sie schon Zeit, die Umgebung abzusuchen?«
    »Das haben bereits die Polizisten der Regionalabteilung übernommen. Sie haben die Gegend bis in die Nacht hinein durchkämmt.«
    »Und?«
    »Nichts.«
    Er ging zu seiner jungen Kollegin zurück.
    »Was halten Sie davon?«
    »Das ist nicht mein Spezialgebiet.«
    »Ich möchte trotzdem wissen, zu welchen Ergebnissen Sie gekommen sind.«
    Sie sah ihm fest in die Augen. Sie schien sich zu fragen, ob es ratsam war, darauf zu antworten. Dann traf sie eine Entscheidung.
    »Der Ort ist nicht leicht zugänglich. Der Mörder muss in der Nacht gekommen sein, um den Touristen aus dem Weg zu gehen. Also handelt es sich um jemanden, der sich hier vor Ort gut auskennt.«
    »Fahren Sie fort.«
    »Er hätte seinen Mord auch anderswo begehen können. Trotzdem hat er sich die Mühe gemacht, sein Opfer hierherzuschleppen. Dieses Haus muss irgendeine Bedeutung für ihn haben.«
    Gute Schlussfolgerung. Die junge Frau war schnell in ihren Überlegungen und gut. François sagte sich, dass sie ihm im Notfall eine große Hilfe sein könnte.
    Er fragte sie weiter aus.
    »Warum hat er die Leiche Ihrer Meinung nach zerstückelt?«
    »Ich habe nicht die geringste Ahnung.«
    »Und das mit dem Gesicht?«
    »Ist mir noch unverständlicher.«
    Sie ließ
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