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Wer bin ich ohne dich

Wer bin ich ohne dich

Titel: Wer bin ich ohne dich
Autoren: Ursula Nuber
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und Mehrfachbelastungen gekennzeichnet ist. Die meisten sind berufstätig und dadurch finanziell (weitgehend) unabhängig. Sie investieren all ihre Kraft, Energie und Intelligenz in ihren Job, in dem sie oft Hervorragendes leisten. Daneben bemühen sie sich, ihrem Partner (oder ihrer Partnerin) eine verlässliche Gefährtin zu sein, sie sind hauptverantwortlich für die Kindererziehung zuständig, kümmern sich um die Versorgung alter Eltern, organisieren die sozialen Kontakte der Familie, sorgen für eine ausgewogene Ernährung der Familienmitglieder, spielen »Taxifahrerin« für ihre Kinder, sind Gesundheitsexpertin für alle, und wenn sie dann noch Zeit finden, treiben sie Sport, um selbst fit und schlank zu bleiben.
    Frauen heute sind beschäftigt, sehr beschäftigt. Und sie sind in dem, was sie tun, meist sehr gut. Sie hätten also allen Grund, selbstbewusst und stolz auf sich selbst zu sein. Aber sind sie das auch? Leider nein. Schaut man hinter die erfolgreiche Fassade einer Frau, stößt man häufig auf sorgsam Verborgenes: | 22 |
Da ist die Sorge, all die Aufgaben nicht zu schaffen.
Da sind die Ängste, nicht beliebt und gut genug zu sein.
Da sind bohrende Gedanken, ob die Kinder glücklich sind und richtig gefördert werden.
Da sind die schlaflosen Nächte, in denen die Gedanken kreisen.
Da sind der Kummer um die Figur und die Ängste vor dem Älterwerden.
Da ist der Vergleich mit anderen, denen das Leben (scheinbar) besser gelingt.
Da ist der nagende Ärger, der regelmäßig unterdrückt wird.
Da sind die eigenen Bedürfnisse, die viel zu kurz kommen.
Da sind die unerklärliche Traurigkeit und eine Erschöpfung, die nie richtig verschwindet.
Da ist die aufgestaute Wut, die sich in Nörgeleien und »zickigem« Verhalten oder Ungerechtigkeiten (meist den Kindern gegenüber) entlädt.
Da sind die immer wiederkehrenden Fragen: »Bin ich liebenswert?« und »Mache ich wirklich alles richtig?«
    Wie heißt es im Märchen: »Da saß nun die arme Müllerstochter und wusste keinen Rat. Denn sie verstand gar nichts davon, wie das Stroh zu Gold zu spinnen war, und ihre Angst wurde immer größer.« Nehmen die Anforderungen und damit die Unsicherheit im Leben einer Frau überhand, geht es ihr häufig ebenso. Der eigene hohe Anspruch, es allen recht machen und alle gestellten Aufgaben möglichst perfekt erfüllen zu müssen, setzt sie unter enormen Druck. Dieser Dauerstress aber bleibt nicht folgenlos. | 23 | Es kommt zu einer permanenten Ausschüttung von Stresshormonen wie Kortisol und Adrenalin. Der Körper eines gestressten Menschen ist in ständigem Alarmzustand. Und das kann zu vielfältigen Erkrankungen führen, unter anderem eben auch zur Depression.
    Dass Depression eine Folge von Stress ist, daran gibt es inzwischen keinen Zweifel mehr. Und da es in einem Frauenleben wahrlich nicht an Stress mangelt, verwundert es nicht, dass Frauen häufiger depressiv erkranken. Natürlich leidet auch das männliche Geschlecht unter Stress, aber es gibt wesentliche Unterschiede zwischen dem Stress der Frauen und dem Stress der Männer (siehe Kapitel »Stroh zu Gold spinnen – Der Stress der Frauen«).
    Zweite Parallele: Die Müllerstochter wird im Märchen von ihrem Vater in eine aussichtslose Situation manövriert und hat keinerlei Möglichkeiten, sich zu wehren. Sie stellt die Autorität des Vaters nicht infrage, und sie klärt seine Lüge, sie könne Stroh zu Gold spinnen, nicht auf. Stattdessen fügt sie sich und spielt das Spiel des Vaters mit. Sie entlarvt den Vater nicht als Hochstapler, sondern opfert zunächst ihren Schmuck und dann sogar noch ihr Kind, um die unmögliche Situation zu bewältigen.
    Wie die Tochter des Müllers wehren sich auch moderne Frauen oft nicht gegen Zumutungen. Auch sie passen sich häufig der Sichtweise und den Forderungen anderer an, verzichten auf Dinge, die ihnen wichtig sind und verlieren dadurch ihr Gespür für ihre eigenen Bedürfnisse. Manchmal zweifeln sie sogar an ihrer eigenen Wahrnehmung: »Vielleicht kann man ja tatsächlich Stroh zu Gold spinnen, und ich bin die Einzige, die das nicht kann?« Und um dieses angebliche Defizit nicht offenkundig werden zu lassen, strengen sie sich fürchterlich an und präsentieren sich anderen als eine Person, die sie gar nicht sind. | 24 |
    Ellen hat sich von der Sekretärin zur Assistentin der Geschäftsleitung hochgearbeitet, ihre zwei Töchter sind erwachsen, leben aber noch zu Hause. Auch die alten Eltern wohnen in der Nähe und werden
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