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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition)
Autoren: Karin Fossum
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meines Lebens leben. Mit einem Kind voller Müll!«
    Sie schlug die Hände vors Gesicht. Skarre hatte Angst, sie könnte den Verstand verlieren.
    »Das Einzige, was wir jetzt für ihn tun können, ist, herauszufinden, was geschehen ist«, sagte er.
    »Kann ich das verweigern?«, flüsterte sie. »Kann ich die Obduktion verweigern?«
    »Nicht in einem solchen Fall«, sagte Sejer. »Durch die Obduktion erhalten wir absolut notwendige Informationen. Außerdem«, fügte er hinzu, obwohl er es schrecklich fand, das sagen zu müssen, »müssen wir in diesem Fall Rücksichten nehmen. Es könnten noch andere Kinder in Gefahr schweben. Verstehen Sie?«
    Sie nickte.
    »Sollen wir irgendwen anrufen?«, fragte er.
    »Erst, wenn wir sicher sind«, flüsterte sie. »Es kann doch ein Irrtum sein, und ich will meine Freunde nicht dieser Belastung aussetzen. Und meine Eltern auch nicht, sie könnten das nicht ertragen. Sie sind auch nicht gesund, mein Vater hat ein schwaches Herz und meine Mutter Parkinson. Die könnten das nicht aushalten«, sagte sie. »Und Sie können sagen, was Sie wollen, ich glaube doch, dass Sie sich irren. Solche T-Shirts gibt es viele, sie werden überall verkauft. Wir fahren nach Linde, wir fahren jetzt sofort, ich muss ihn sehen, das können Sie mir nicht verweigern, er ist mein Jonas und hier habe ich zu bestimmen.«
    Sie war vom Sofa aufgesprungen und lief auf die Tür zu, die Verzweiflung war ihr zu Kopf gestiegen.
    »Es tut mir leid«, sagte Sejer energisch und ging hinter ihr her. »Das kann ich nicht zulassen.«
    Sie schrie los. Sie lief zurück ins Wohnzimmer und stützte sich schreiend auf eine Sessellehne.
    »Soll ich heute Nacht mit dem Wissen schlafen gehen, dass er ohne Hose da oben im Wald liegt?«, schluchzte sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie das dürfen, ich will mit jemand anderem sprechen.«
    »Elfrid«, sagte Skarre, »wir sind auf Ihrer Seite.«
    Sie schluchzte immer wieder auf.
    »Wir haben Hilfspersonal in Bereitschaft«, sagte Sejer, »wenn Sie das wünschen.«
    »Nein«, flüsterte sie. »Nein, ich will mich ins Bett legen.«
    »Wenn Sie ein Beruhigungsmittel brauchen, dann können wir das besorgen.«
    »Will nicht …«
    Sie schaute vorwurfsvoll zu den Männern hoch.
    »Sicher irren Sie sich«, sagte sie. »Die Möglichkeit besteht.«
    Sie lächelte hocherhobenen Hauptes. »Die Möglichkeit besteht.«
    8
     
    Überall war die Rede von Jonas August Løwe.
    Auf den Gängen des Zentralkrankenhauses, in den Frisiersalons, in Taxis, im Bus, in Cafés und Läden. In Vorzimmern und Hinterzimmern, in Wartezimmern und Arbeitszimmern. In Treppenhäusern und Eingängen war die Rede von Jonas. Auf dem Hof hinter dem Kreisgefängnis saßen zwei Angestellte auf einer Bank.
    »Die kriegen ihn schon«, sagte der eine. »Die kriegen ihn, und dann wird er hergeschickt. Und dann wird er in die Mangel genommen.«
    »Ja, dem Teufel sei Dank«, sagte der andere.
    Auf der Wache wurde eine Pressekonferenz anberaumt. Sejer hatte noch nie viel für diese Auskunftspflicht der Öffentlichkeit gegenüber übrig gehabt. In seinen Augen waren Journalisten Haie, ein Blutstropfen reichte, und schon kamen sie angeschwärmt. Aber er verhielt sich wie immer korrekt, als er die Presseleute über den Fall informierte. Jonas August war Schüler an der Schule von Solberg, wo er die dritte Klasse besuchte. Er lebte bei seiner Mutter und war ein Einzelkind. Ein Ehepaar hatte nicht weit von der Fundstätte einen Mann beobachtet, einen Mann von Mitte fünfzig in einem blauen Anorak. Jonas wurde nur teilweise bekleidet aufgefunden und war offenbar vergewaltigt worden. Es war nicht klar, wann und wie der Junge umgebracht worden war, ob es am Fundort geschehen war, oder ob der Täter ihn dorthin gebracht hatte. Alles verfügbare Personal würde sofort auf diesen Fall angesetzt werden, sie würden zudem alle erreichbaren Fachleute hinzuziehen. Auf die Frage, ob der Täter wieder zuschlagen könne, antwortete er, »wir haben keinen Grund zu dieser Annahme«, und sah dabei die Presseleute mit ernster Miene an.
    Sollten wir auf unsere Kinder aufpassen?
    Das sollten wir doch immer.
    Was werden Sie als Erstes unternehmen?
    Für solche Fälle haben wir unsere Vorschriften und daran halten wir uns.
    Sie wollten wissen, was er über den Fundort zu sagen habe. Ob es nicht seltsam sei, dass der Junge nicht vergraben oder wenigstens mit Pflanzen bedeckt worden sei.
    »Vielleicht wollte der Täter, dass wir ihn schnell
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