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Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Titel: Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft
Autoren: Eric Malpass
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setzte ein starres Lächeln auf und folgte Mummi.
    Mummi würde nie die Ungeschicklichkeit begehen, einen sechzehnjährigen Jungen zu küssen. Sie streckte ihm nur eine feste, freundliche Hand entgegen. «Hallo, David», sagte sie herzlich.
    Er gab ihr die Hand, ohne zu lächeln.
    «Und Emma», sagte Mummi und küßte das kleine Mädchen. Dann wandte sie sich um. «Das ist euer Vetter Gaylord.»
    Gaylord machte den Mund auf und wollte zu seiner Ansprache ansetzen. , hatte er sagen wollen. Doch jetzt kam ihm der Verdacht, daß das nicht so taktvoll war, wie er geglaubt hatte, und er beschränkte sich auf ein etwas mürrisches «Hallo».
    Aber selbst das löste keine nennenswerte Reaktion aus. David machte ein Gesicht wie ein Schüler der Oberstufe, dem jemand taktloserweise einen Erstkläßler vorgestellt hatte. Und Emma? Emma stand völlig regungslos da und starrte ihn mit ihren vorstehenden, kalten, porzellanblauen Augen an. Gaylord ging das Ganze ziemlich auf die Nerven.
    Emma starrte weiter. Wenn’s darauf ankam, darauf verstand er sich auch. Gaylords gute Vorsätze waren wie weggeblasen. Er starrte wütend zurück.
    Mummi fühlte sich von allen im Stich gelassen. Sie sagte forsch: «Los, Gaylord, pack ein paar von den Koffern in den Wagen. Komm, David.» Sie legte dem Jungen freundlich die Hand auf die Schulter. Einen Moment spürte sie, wie sein Körper sich ihr entgegenneigte, als ob er instinktiv näheren Kontakt suche. Dann riß er sich zusammen, straffte sich und ging zum Wagen. Armer Junge, dachte May voller Mitleid. Sie hätte ihn liebend gern bemuttert. Aber hier war weder der rechte Ort noch die Zeit dafür. Mit großer Selbstverständlichkeit stellte sie fest: «Ich bin sicher, daß ihr einen Mordshunger habt.»
    «David hat sich im Zug übergeben», sagte Emma und äußerte sich damit zum erstenmal.
    «Na, dann muß er ja hungrig sein», meinte Mummi ruhig.
    Gaylord griff das Thema erfreut auf. «Unsere Lehrerin sagt, es wäre gut, wenn man sich übergibt. Sie hat gesagt...»
    «Schon gut. Das reicht, Gaylord», sagte Mummi.
    «Und dann hat er auf der Toilette abgezogen, als der Zug schon auf dem Bahnhof stand», sagte Emma und richtete die porzellanblauen Augen auf May. «Dafür kann man doch ins Gefängnis kommen, nicht wahr, Tante May? »
    «Nicht, solange man unter sechzehn ist», erklärte Gaylord wichtig.
    «Natürlich nicht.» Mummi lächelte David beruhigend zu. Er erwiderte ihr Lächeln nicht. Sie versuchte seinen Blick abzuschätzen. Er war bestenfalls kalt. Man konnte ihn auch feindselig nennen.
    Jenny vertraute May an: «Er ist immer furchtbar aufgeregt, wenn er neue Menschen kennenlernen soll. Dann wird ihm schlecht. Und dann wirkt er so ablehnend. Aber er ist in Wirklichkeit gar nicht so.»
    «Ich weiß, wie ihm zumute ist», sagte May.
    «Ja?»
    «Natürlich. Das machen wir alle durch. Mach dir keine Sorgen, Liebes.»
    Jenny lächelte sie dankbar an. May sagte: «Beruhige dich. David soll meine Sorge sein.»
    Nie hatte sie ein wahreres Wort gesprochen.
     
    Nach dem Tee sagte Mummi: «Gaylord, ich glaube, Emma würde sich jetzt sicher gern auf dem Hof umschauen und sich die Tiere ansehen. »
    «Möchtest du?» fragte Gaylord. Er hoffte auf ein Nein.
    Doch Emma nickte und rutschte von ihrem Stuhl herunter. Sie gingen hinaus in den stillen Abend.
    Es war eine undramatische, ländliche Szenerie. Ein weites, ebenes Flußtal, gesäumt von sanften Hügeln; ein Landstrich mit sumpfigen Wiesen, wo Trauerweiden sich über den Fluß neigten und die Pappeln am Abend ihre langen Schatten warfen, wo im Frühling der Hahnenfuß alles in fröhliches Gelb tauchte und spät im Jahr die Herbstzeitlosen wehmütig ihre fahlen Köpfe hängen ließen wie kränkelnde, vornehme Damen. Eine nicht gerade aufregende Landschaft. Die einzig aufregenden Dinge, die Gaylord einfielen, waren Heathcliff und die Alte Halle.
    Die Alte Halle war im 18. Jahrhundert erbaut worden, im 19. hatte man keine Verwendung mehr für sie gehabt, und nun, im 20. Jahrhundert, begann sie langsam zu verfallen. Darum war Gaylord der Zutritt strengstens verboten, was ihn natürlich nicht davon abhielt, hinzugehen. Gaylords persönlicher Ehrenkodex gestattete ihm durchaus, einen verbotenen Ort aufzusuchen, vorausgesetzt, daß er, wenn man ihn später zur Rede stellte, alles ehrlich zugab und die Konsequenzen auf sich nahm. Aber es war sicherlich nicht ratsam, Emma an
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