Wenn nur dein Lächeln bleibt
Unterlagen. »Wir arbeiten in Zukunft nicht mehr mit ihm zusammen.«
Anja bekam drei Wochen später den perfekten Rollstuhl, allerdings von einer anderen Firma. Er wächst mit und ist weich und bequem, außerdem halbwegs leicht zu schieben. Zudem sieht er im weitesten Sinne elegant aus! Diesem Hersteller vertrauen wir heute noch.
25
Anjas achtzehnter Geburtstag nahte, und damit auch das Ende ihrer »Schulpflicht«. Ich sah diesem Tag mit Grauen entgegen. Schließlich war unsere Tochter seit ihrem vierten Lebensjahr in dieser Behinderteneinrichtung gewesen! Davon die letzten vier Jahre mit »Förderung«! Sie hatte sich an den Tagesablauf dort gewöhnt, an die Stimmen, die Geräusche, die Gerüche, an die Menschen! Sie fühlte sich dort wohl und geborgen.
Wo sollte sie denn jetzt hin?
Normalerweise kommen erwachsene Behinderte in eine Behindertenwerkstatt, aber was war denn bei uns schon normal? Für Menschen, die die Kriterien einer Behindertenwerkstatt nicht erfüllen, gibt es die sogenannte Förderwerkstatt für behinderte Menschen. Dort sollen sie so lange gefördert werden, bis sie in einer Behindertenwerkstatt arbeiten können. Doch für unsere Anja gab es keinen Plan B. Noch nicht mal einen Plan C. Nie würde sie in einer Werkstatt arbeiten können. Trotzdem stellte ich den Antrag, unsere Anja aufzunehmen.
Nach einigen Wochen erhielten wir die Ableh nung. Begründung: Der Pflegeaufwand für Anja sei zu groß.
Wir waren unendlich traurig und verzagt.
»Was soll denn aus unserer Anja werden?«, fragte ich leise. »Soll sie für den Rest ihres Lebens bei mir zu Hause hocken?«
»Für den Rest UNSERES Lebens«, gab Bernd zu bedenken. »Was ist, wenn sie uns überlebt?«
Daran wagten wir gar nicht zu denken!
»Abgesehen davon, dass unser Kind dann völlig ohne Förderung wäre, könnte ich dann auch nie mehr arbeiten gehen.« Müde wischte ich mir über die Augen. »Ich habe so fleißig studiert und endlich meinen Traumjob gefunden! Das würde uns BEIDE in die Isolation treiben!«
»Nein, wir müssen wieder kämpfen«, beschloss Bernd. »Wir haben gelernt, uns nicht mit einer Absage abspeisen zu lassen.«
»Aber wenn diese sogenannte Förderwerkstatt sich die Arbeit mit Anja nicht machen will, möchte ich denen unser Kind auch nicht aufzwingen«, sagte ich frustriert. »Von wegen, wir bestehen darauf, dass Sie unserer Tochter den Hintern abwischen und das Breichen in den Mund schieben. Meinst du, sie würden das dann noch mit Liebe tun?«
»Die können sich offensichtlich ihre Behinderten aussuchen.« Bernd stand seufzend auf und lehnte seine Stirn an die kühle Fensterscheibe. »Der hier macht in die Hose, der nicht. Der hier kann den Löffel halten, der nicht. Der hier kann seinen Rollstuhl selbst bewegen, der nicht …«
»Sie nehmen nur die, die ihnen am wenigsten Arbeit machen«, stellte ich lakonisch fest.
Bernd nickte und lachte verbittert auf. »Da können sie zwischendurch eine rauchen. Aber wir geben nicht auf!« Bernd blätterte bereits im Telefonbuch. »Hier. Da steht was. Wir waren zwar noch nie so dicke mit der Kirche, aber hier ist eine evangelische Einrichtung, die sich um Schwerbehinderte kümmert.«
»Meinst du, wir können es versuchen? Vielleicht sind die barmherzig?«
»Ist das nicht ihr Werbeslogan?«, frotzelte Bernd. »Irgendwie hab ich da was von Güte und Barmherzigkeit im Hinterkopf.«
Uns stand der Sinn nicht nach Galgenhumor, aber manchmal ist es einfach die beste Art, mit Wut, Enttäuschung und Schmerz fertigzuwerden.
Unsere Hoffnung wurde nicht enttäuscht. Schon am Telefon spürte ich eine Herzlichkeit und Wärme, die sich so wohltuend in meinem Innern ausbreitete wie heißer Tee an einem kalten Wintertag. Wir vereinbarten einen Termin und fuhren mit Anja hin.
Es war ein alter Bauernhof, mitten auf dem Land! Bisher war Anja in einem Neubau untergebracht gewesen, mitten in der Stadt, und nun das volle Kontrastprogramm! Ziegen und Schafe blökten uns entgegen, Pferde wieherten von der nahe gelegenen Koppel, Hunde begrüßten uns schwanzwedelnd, und Katzen strichen uns um die Beine.
Wie würde Anja reagieren? Hoffentlich nicht so panisch wie auf das Sandmännchen! Wir hielten den Atem an vor Spannung, aber Anja benahm sich wie immer.
Die Leiterin der Einrichtung erwies sich als ausge sprochen nett. Sofort begrüßte sie Anja herzlich und gab ihr zu verstehen, dass sie hier die Hauptperson war.
Es gibt ja viele Menschen, die in Anjas Anwesenheit immer nur in der
Weitere Kostenlose Bücher