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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt
Autoren: H Lind
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zehn Treppenstufen im Vorgarten ersetzt hatte. Begeistert fuhren wir die Rampe immer wieder rauf und runter wie Kinder! Ich weiß gar nicht, wer mehr Freude daran hatte, Anja oder wir! Als wir an diesem Abend erschöpft im Bett lagen, konnte ich gar nicht einschlafen. Das sollte nun für den Rest unseres Lebens unser Zuhause sein! Wir hatten es geschafft! O Gott, wir hatten schon so vieles geschafft! Ob es Anja auch gut ging nach dem anstrengenden Tag? Ob sie sich auch in ihrer neuen Umgebung geborgen fühl te? Ich lauschte auf mögliche Geräusche aus Anjas Zimmer, aber sie schlief tief und fest.
    Plötzlich durchzuckte mich ein schrecklicher Gedanke: Bei all den Aufregungen hatte ich völlig vergessen, Anja ihr Abendessen zu geben! Von Schuldgefühlen geplagt, weckte ich den armen Bernd.
    »Bernd! Du musst mir helfen! Bitte setz sie mir aufs Sofa, ich püriere schon mal das Fleisch …« Mit diesen Worten schlug ich die Bettdecke zurück und schlüpfte in meine Pantoffeln.
    »Was?«, grunzte Bernd schlaftrunken. »Es ist nach Mitternacht!«
    »Aber ich Rabenmutter habe vergessen, mein Kind zu füttern!«
    Bernd drehte sich lachend auf die andere Seite. »Du schreckliche Rabenmutter bekommst gleich den Hintern versohlt! Einen müden Hausbauer zu wecken! Sie wird schon nicht verhungern in dieser einen Nacht.«
    »Meinst du wirklich …?«
    »Wenn sie Hunger hätte, würde sie schreien.«
    Das tat sie nicht.
    »Und jetzt schlaf, du Oberglucke!«, knurrte Bernd.
    Und das tat ich dann auch.

26
    J etzt, wo Anja »erwachsen« war, mussten wir einen Betreuerausweis beantragen. So makaber das klingt, aber wir besaßen als »Eltern« jetzt nicht mehr automatisch das Sorgerecht und die Sorgepflicht, sondern mussten uns auf dem Amtsweg dagegen wehren, dass Anja einen gerichtlichen Vormund bekam. Ohne Betreuerausweis hätte man uns sonst bei einem Not fall gar nicht zu unserem kranken oder verunglückten Kind gelassen und uns im Krankenhaus keine Auskunft erteilt.
    Wir beantragten also den amtlichen Schrieb, der uns gestattete, uns weiterhin um unser Kind zu kümmern. Dann hörten wir – wie zu DDR -Zeiten – erst mal wochenlang nichts.
    Schließlich stand plötzlich unangemeldet eine Psychologin auf der Matte. Sie hielt mir ihren Ausweis vor die Nase und ließ mich herablassend wissen, dass sie amtlich befugt sei, unsere Tauglichkeit als Betreuer unserer Tochter zu prüfen. Mit wichtigtuerischer Geste zückte sie meinen vor Wochen gestellten Antrag. Er war mit Rotstift bearbeitet und mit lauter Randbemerkungen und Fragezeichen versehen worden. Ich machte den Mund auf, aber kein Ton kam heraus. Vollkommen sprachlos starrte ich die junge Frau an, die da in ihrem Business-Kostüm und mit hochhackigen Pumps auf unserer Rollstuhlrampe stand.
    »Es wäre nett, wenn Sie mich irgendwann mal rein ließen«, sagte sie schnippisch. »Natürlich möchte ich mir Ihre häusliche Situation genau ansehen.«
    Ich fühlte mich gedemütigt. Das durfte doch nicht wahr sein! Was erlaubte diese Person sich eigentlich?
    Dreist schob sich die junge Frau an mir vorbei und inspizierte unsere Räumlichkeiten.
    »Hübsch hier.«
    Fehlte nur noch, dass sie mit der Hand über die Regale fuhr, um nach Staubkörnchen zu suchen!
    »Was haben Sie denn so gelernt?«
    Die Dame, die Anja noch keines Blickes gewürdigt hatte, ließ sich auf das Sofa fallen und suchte in ihrem Handtäschchen nach einer Zigarette. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich rauche?«
    »Doch!« Wütend baute ich mich vor ihr auf. »In Anjas Anwesenheit darf nicht geraucht werden!«
    Sie steckte ihre Zigarette zurück und nestelte stattdessen einen goldenen Kugelschreiber hervor. Sofort begann sie, etwas auf meinen Antrag zu kritzeln.
    Mein Herz begann wie wild zu klopfen. Jetzt wurde es kritisch. Wahrscheinlich schrieb sie: »Hat sich nicht unter Kontrolle, wird sofort hysterisch und laut!«
    »Also?« Sie hob den Kopf und sah mich abwartend aus ihren hellblauen Augen an. »Was haben Sie gelernt?«
    »Meinen Sie jetzt pflegetechnisch oder von Beruf?«
    »Letzteres«, antwortete sie schnippisch.
    »Ich bin Ingenieurin, und mein Mann ist Facharbeiter.«
    »Dann haben Sie ja beide keinerlei Erfahrungen im Sozialbereich.« Sie kritzelte schon wieder. Anja lag mit verrenkten Gliedmaßen in ihrer Liegebirne und starrte stumm wie ein Goldfisch an die Decke.
    »Was behaupten Sie denn da für ein dummes Zeug!«, empörte ich mich. »Mein Mann und ich pflegen Anja seit ihrer ersten
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