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Wenn nur dein Lächeln bleibt

Wenn nur dein Lächeln bleibt

Titel: Wenn nur dein Lächeln bleibt
Autoren: H Lind
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Faden.
    »Also? Haben Sie diesen Termin jetzt notiert?«, kam es aus der Leitung. Raum siebenhundertelf, das ist im siebten Stock.«
    »Nein!«, rief ich heftiger als beabsichtigt. »Habe ich nicht und werde ich auch nicht!«
    Misstrauische Stille am anderen Ende der Leitung. Wahrscheinlich beschloss sie in diesem Moment, mich als nicht betreuertauglich abzustempeln. Faule Schlampe! Noch nicht mal bereit, zu einem Gerichtstermin zu erscheinen!
    Mein Hals war wie zugeschnürt. Diese Ungerechtigkeit! Diese Ignoranz! Was machte diese Person auf einem Richterstuhl? Aber ich musste die Situation ret ten, das war ich Anja schuldig. Ich schloss die Augen, atmete tief ein und wieder aus.
    »Würden Sie bitte einmal so nett sein und einen Blick in das medizinische Gutachten werfen, welches die Ärztin neulich bei ihrem Hausbesuch angefertigt hat?«, fragte ich so langsam und deutlich, als spräche ich mit einer Dreijährigen. Tust du schön reingucken, was da steht, ja? Da steht nämlich, dass unsere Anja im ROLLSTUHL sitzt! Und auch nicht mal eben aufstehen und ein paar Treppen gehen kann!
    »Sie haben meine Anweisungen gehört«, sagte die Richterin knapp. »Ich lasse mir von Ihnen doch nicht vorschreiben, wie ich meine Arbeit zu machen habe.«
    »Und ICH lasse mir von Ihnen nicht vorschreiben, einen ROLLSTUHL sieben Stockwerke hochzuschleppen!«, brüllte ich außer mir. »Wir sind in der DDR vierzig Jahre lang schikaniert worden, und für mich ist das Maß voll!«
    »Ich setze einen Rechtsanwalt als Vormund für Ihre Tochter ein. Mit Ihnen führe ich kein Gespräch mehr.«
    Wir knallten beide gleichzeitig den Hörer auf.
    E s vergingen wieder einige Wochen, und die Vorladung zum besagten Termin flatterte ins Haus. Mit amtlichem Stempel und hingekrakelter Unterschrift.
    »Schau mal, da steht gar nicht, dass Anja auch mitkommen muss!« Bernd tippte auf die Anrede, die nur ihm und mir galt. »Sehr geehrter Herr Hädicke, sehr geehrte Frau Hädicke«, zitierte er. »Kein Wort von sehr geehrte Anja Hädicke!«
    »Das heißt, sie kann zu Hause bleiben.« Zufrieden betrachtete ich den Schrieb. Es gab überhaupt keinen Grund, warum mich diese Richterin ausschimpfen könnte. Anja war eindeutig nicht vorgeladen. Wir fuhren also zu zweit in die Stadt, Sabine blieb bei Anja.
    Eine Sachbearbeiterin, nicht die Richterin selbst, rief uns in ihr Büro und erklärte uns die Rechte und Pflichten, die wir mit Anjas Betreuung hätten. Sie las diese Sätze von einem Formular ab und schaute uns dabei nicht einmal an.
    Wir unterzeichneten das Protokoll und erhielten anstandslos unsere Betreuerausweise. Seitdem erledigen wir weiterhin alles, nur mit amtlicher Genehmigung. Achtzehn Jahre lang haben wir es ohne den Segen des Staates getan, und jetzt machen wir es bald schon achtzehn Jahre lang mit Segen des Staates. Hauptsache, alles hat seine Ordnung!

27
    »Mami? Kannst du mich schnell holen? Ich habe den Bus verpasst!«
    »Wo bist du denn, Sabine?«
    »An der Ecke vor dem Altersheim! Ich stell mich an der Bushaltestelle unter, es gießt ja aus Kübeln!«
    »Wann kommt denn der nächste?« Besorgt sah ich zu Anja hinüber, die in ihrer Liegebirne lag.
    »Mami, bitte! Der nächste kommt erst in zwei Stunden! Bis dahin bin ich vollkommen durchnässt!«
    Sabine war jetzt sechzehn und machte ein Praktikum in einer Seniorenresidenz.
    »Und Anja? Bis ich die im Auto habe, bin ICH total durchnässt! Und deine Schwester auch!«
    »Mami, also echt! Mach ihr den Fernseher an und hau dich schnell ins Auto! Es sind doch nur sechs Kilometer! Bitte!«
    »Ich hab sie noch NIE allein gelassen, Schatz. Noch NIE .«
    »Und ich hab dich noch NIE gebeten, mich abzuholen, Mami. Noch NIE . Ich habe dir mit Anja immer geholfen. Jetzt brauche ich mal DEINE Hilfe.«
    Meine kesse hübsche Blondine wollte heute Abend mit ihrem Robert ausgehen, und ich hatte sie viel zu lieb, um ihr diese Bitte abzuschlagen.
    »Okay, ich bin in zehn Minuten da!«
    »Danke, Mami, du bist die BESTE !«
    »Was, Anja? Wir haben die blödeste Mama der Welt«, sagte ich schmunzelnd zu Anja, beugte mich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Ich bin in zwanzig Minuten wieder da, ist das okay für dich, Maus?«
    Jauchzendes Kreischen war die Antwort.
    Im Fernsehen lief »Brisant«.
    Da mit Sicherheit kein Sandmännchen auftauchen würde, konnte ich es wagen. Hastig schlüpfte ich in meinen neuen Mantel, holte das Auto aus der Garage und fuhr los. Es goss wirklich wie aus Eimern.
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