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Wenn Kinder um sich schlagen

Titel: Wenn Kinder um sich schlagen
Autoren: Ruediger Penthin
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ohne Kondome. Und so wirklich hatte es das auch nicht gewollt. Das Mädchen war bedrängt worden, hatte schon etwas Alkohol getrunken und dann hatte es dem Drängen nachgegeben. Es war danach enttäuscht, hatte das Gefühl, ausgenutzt worden zu sein und bekam plötzlich Angst, dass es schwanger sein könnte. Da offenbarte es sich der Mutter.
    Diese ging mit ihrer Tochter zur Frauenärztin, die eine Schwangerschaft ausschließen konnte und mit dem Mädchen über Verhütungsmöglichkeiten sprach. Erleichtert ging das Mädchen wieder ihrem bisherigen Lebensstil nach, verbrachte viel Zeit mit der Clique und hatte den nächsten Freund (diesmal benutzten sie Kondome). Die Mutter macht sich große Sorgen, dass ihre Tochter die Schule nicht schaffen wird, dass sie wirklich früh schwanger wird oder dass sie zunehmend auf den absteigenden Ast gerät.
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    Natürlich ist die Sorge der Mutter nicht unberechtigt. All diese Befürchtungen könnten eintreten. Auch könnten ungünstige Einflüsse der Gruppe Alkohol- und Drogenkonsum sowie die Entwicklung kriminellen Verhaltens begünstigen. Bei diesem Mädchen kam es aber anders. Die Mutter war willens, ihre Tochter nicht fallen zu lassen. Sie holte sich Hilfe beim Amt für Soziale Dienste (Jugendamt). Natürlich hatte sie Angst, dass man ihr die Tochter wegnehmen könnte, eine Angst, die
viele Eltern in solchen Situationen haben, eine Angst, die aber normalerweise überflüssig ist. Denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes für Soziale Dienste versuchen, die familiären Fundamente zu stärken und Eltern und Kinder wieder zueinanderzubringen, wenn irgend möglich. Nur in Ausnahmefällen wird eine sogenannte Fremdunterbringung wirklich notwendig.
    Das Amt bot in diesem Fall eine » Erziehungsbeistandschaft « an. Ein Sozialarbeiter besuchte das Mädchen an zwei Nachmittagen in der Woche. Er führte mit ihm Gespräche, hatte ein offenes Ohr für seine Nöte, lernte den Freund und die Clique kennen und konnte das Vertrauen der jungen Leute gewinnen. Er schaffte es, bei dem Mädchen einen Prozess des Nachdenkens anzuregen. Es konnte sein Verhalten immer besser beleuchten und verstehen. Die Enttäuschung über den Vater führte auch zu einer Enttäuschung über die Mutter, die ihm ja diesen Vater »eingebrockt« hatte. Das Mädchen wollte erwachsen, selbstständig und frei sein und sich loslösen. Außerdem war es zunehmend unzufrieden mit sich, mit seinem Äußeren - wie es in der Pubertät häufig vorkommt - und mit der schulischen Situation. In der Clique fühlte es sich aufgehoben und verstanden, stürzte sich aber eigentlich ja nur in neue Abhängigkeiten, die es zum Teil überforderten. Und nur mit etwas Glück ist ihm das Schicksal seiner Mutter (jung ungewollt schwanger zu werden, von einem Jungen, der gar kein Kind mit ihm hätte haben wollen) erspart geblieben.
    Das alles wurde dem Mädchen klar. Es entwickelte mithilfe des Sozialarbeiters neue Interessen, begann Fußball in einer Mädchenmannschaft zu spielen, hatte Erfolgserlebnisse, fand auch außerhalb der bisherigen Clique Freundinnen und konnte sich wieder mit seiner Mutter an einen Tisch setzen. Die Mutter hatte es nie aufgegeben, und mit liebevoller mütterlicher Beharrlichkeit auf dem Boden einer guten Mutter-Kind-Beziehung vor der Pubertät, intensiver professioneller
Unterstützung durch den Sozialarbeiter und ein wenig Glück kam das Mädchen wieder »auf die Beine«. Es machte seinen Realschulabschluss und wechselte anschließend in die Oberstufe. Es wünscht sich, später Sozialpädagogik zu studieren, um anderen Jugendlichen so helfen zu können, wie ihm geholfen wurde.
    Zusammenfassende Hinweise
    In der Pubertät findet ein Ablösungsprozess von den Eltern und ein Verselbstständigungsprozess in Richtung auf ein eigenverantwortliches Leben statt. Körperliche Reifungsprozesse sind mit Veränderungen des Gefühlsgleichgewichtes verbunden, aggressive Auseinandersetzungen mit den Eltern sind mitunter ein Muster, welches die Ablösung erleichtert. Diese Prozesse sind nicht nur für die Jugendlichen belastend, sondern in besonderem Maße auch für die Eltern. Die Gefahr, eine Beziehungsstörung zu den Eltern zu entwickeln, ist groß, gerade wenn gegenseitige Verletzungen und Kränkungen nicht verstanden und verarbeitet
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