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Wenn ich einen Wunsch frei haette

Titel: Wenn ich einen Wunsch frei haette
Autoren: Deborah Ellis
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umzubringen. Wir haben die Haare gesehen, die diesen Juden abgeschnitten wurden, und die Schuhe, die man ihnen abgenommen hat. Wir haben die Gaskammern gesehen, in denen sie umgebracht wurden. Das waren große Duschräume. Man zwang sie hineinzugehen, ganz viele auf einmal, Männer, Frauen und Kinder zusammen, alle nackt, so als würden sie duschen gehen. Aber aus den Duschköpfen kam Gas statt Wasser und tötete jeden im Raum. Wir sahen Haarbürsten, Handspiegel, Schmuck, Brillen, Koffer, Bücher, Menora, das sind siebenarmige Leuchter, – Gegenstände, die ihren Familien etwas bedeutet haben. All diese Sachen wurden ihnen sofort weggenommen, als sie ins Lager kamen.
    Wenn man das Lager Auschwitz betritt, kann man sich in einen Juden von vor 60 Jahren hineinversetzen, der dort ankommt. Man kann sich vorstellen, wie die Polizeihunde bellen und deutsche Soldaten einen mit ihren Gewehren |30| schlagen und alle Angst haben und weinen. Es hat geschneit, als wir dort waren. Wir hatten mehrere Schichten Kleider übereinander, so dass wir nicht gefroren haben. Die Juden, die damals dort gefangen gehalten wurden, hatten weder warme Kleider noch Stiefel, keine Decken und nicht genug zu essen.
    Der größte Teil des Lagers ist noch erhalten – die Baracken, in denen die Gefangenen zusammengepfercht waren, die Wachtürme, die anderen Gebäude. Während ich dort war, versuchte ich mir vorzustellen, was sie damals empfunden haben, aber das gelang mir natürlich nicht.
    Es war ein unglaubliches Gefühl, mit der israelischen Flagge dort herumzulaufen. Die Nazis haben versucht, uns zu vernichten, aber wir haben überlebt und haben jetzt unser eigenes Land und unsere eigene Fahne. Wir sind noch da, aber die Nazis nicht. Wir haben an jedem Ort eine kurze Feier abgehalten und die israelische Nationalhymne gesungen. Ich stelle mir gerne vor, dass die Geister der Menschen, die dort ermordet wurden, uns hören konnten und dass ihnen das ein bisschen Frieden gebracht hat.
    Wir alle sind in dem Glauben dort hingereist, dass wir danach alles verstehen würden, verstehen, wie so etwas geschehen konnte. Aber es ist unfassbar. Ich weiß nicht, ob es überhaupt jemals jemand begreifen kann. Es hilft, dort gewesen zu sein, sich die Orte vor Augen rufen zu können und sich ein wenig genauer vorstellen zu können, was diese Menschen durchgemacht haben. Es zeigt, dass wir auf uns aufpassen müssen, dass wir unsere Sicherheit sehr ernst nehmen müssen.
    |31| In meinem Viertel gibt es viele Gedenkstätten für Menschen, die von den Palästinensern umgebracht wurden. Kleine Parks oder Bänke zum Beispiel, die einer getöteten Person gewidmet sind. Das ist ganz schön seltsam, wenn ich darüber nachdenke. Obwohl man genau weiß, dass so etwas passiert, glaubt man nie, dass es einen selbst treffen könnte.
    Das mit den Palästinensern ist kompliziert. Niemand scheint die richtige Lösung zu kennen. Es ist für beide Seiten schwierig, zusammenzukommen. Bald wird es sogar noch schwerer sein, wegen der Mauer, die um das Westjordanland gezogen wird. Diese Mauer hält die Palästinenser aus Israel fern, damit sie uns nicht in die Luft sprengen können.
    Die vielen Soldaten auf der Straße sind für mich normal. Der Mann meiner Schwester kommt aus den USA und er hat ein Problem damit, so viele Menschen mit Waffen herumlaufen zu sehen. Schon komisch, dass er das sagt, wo wir doch in der Schule gelernt haben, dass in den Vereinigten Staaten viel mehr Menschen durch Waffen sterben als hier, und hier herrscht schließlich Krieg. Er findet, dass wir uns nicht an Waffen gewöhnen sollten, aber ich bin schon daran gewöhnt. Für mich wäre es seltsam, wenn sie nicht da wären.
    Außerdem erfüllen die Soldaten eine wichtige Aufgabe. Kürzlich hat ein Wachmann verhindert, dass ein Restaurant in die Luft flog.
    Wenn ich mit der Schule fertig bin, gehe ich zur Armee. Das ist sehr wichtig, auch für Mädchen. Es gehört zu meinen |32| Pflichten als israelische Staatsbürgerin. Ich halte nichts von Leuten, die ihrer Pflicht nicht nachkommen, damit sie einfach bequem weitermachen können mit ihrem Leben. Ich kann verstehen, dass es Menschen gibt, die gegen den Krieg sind, aber wenn das ihr Beweggrund ist, dann können sie ja stattdessen Zivildienst leisten.
    Für jemanden wie mich oder meine Freundinnen ist es unmöglich, in die von den Palästinensern kontrollierten Gebiete zu fahren. Wenn ich schon aus Vorsicht unsere eigene Innenstadt meide, dann fahre ich ganz
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