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Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart

Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart

Titel: Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart
Autoren: Sarah Schwartz
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schiefen Briefkasten neben dem Ganzjahres-Maibaum einzuwerfen.
    Wie ein Mörder sah er nun wirklich nicht aus, eher wie ein Filmstar.
    Amelie wurde rot, als sie an den erotischen Traum dachte, den sie nach diesem Erlebnis gehabt hatte. Alain hatte sie in seiner Limousine mitgenommen wie der Prinz im Märchen sein Dornröschen. Was er alles auf den cremefarbenen Rücksitzen mit ihr getrieben hatte, war ebenso märchenhaft gewesen. Und ungemein belebend.
    Sie stellte das Auto in der Zufahrt zum Haus ab. Auch ihr Anwesen war beachtenswert, aber nichts im Vergleich zu der Villa, die Alain Depát, sehr zum Ärger der Dorfgemeinde, komplett renoviert hatte. Wochenlang war der Gesamtverkehr des Dorfes um zweihundert Prozent angestiegen, und ständig hatten unverschämte fremde Möbelspediteure – manche sogar aus Frankreich! – oder Bauarbeiter nach dem Weg zur Villa gefragt.
    Jetzt aber war Ruhe eingekehrt, und man hörte und sah nichts mehr von dem attraktiven Mann. Dafür wurde um so mehr geklatscht.
    Amelie betrat den Flur und legte ihren Mantel ab. Ihr Blick fiel im Halbdunkel auf eines der zahlreichen Bilder ihrer Schwester. Es zeigte eine schwarze Krähe mit weit geöffneten Schwingen und blutverschmiertem Schnabel.
    Sie hat den Tod unserer Eltern auf ihre Weise verarbeitet.
    Im Wohnzimmer brannte kein Licht. Amelie stieg die Treppe zum Dachgeschoss hinauf, denn sie musste unbedingt sofort jemandem von ihrem Erlebnis auf dem Friedhof erzählen.
    Sie blieb stehen, als sie das leise Stöhnen hörte. Ein Keuchen. Tief und animalisch. Die dunkle Frauenstimme war ihr bestens bekannt.
    Zögernd trat sie näher an die geöffnete Tür des Ateliers heran. Mitten zwischen Leinwänden und auf dem Boden abgestellten Farbpaletten lag ein Mann auf dem Boden, über dem eine Frau saß. Es war kein Licht an. Das Zwielicht des Abends fiel durch die große Scheibe in der Dachschräge und machte die beiden Menschen vor ihr zu Scherenschnitten.
    Amelie wollte auf sich aufmerksam machen, zögerte aber. Fasziniert sah sie zu, wie Lara sich auf Stefans Körper bewegte. Ihre langen blonden Haare hoben sich eine Nuance heller ab als die restlichen Schatten.
    Mit angehaltenem Atem stand Amelie da. Ihre Schwester war frei in ihren Bewegungen, anmutig und völlig enthemmt. Eine Tänzerin, die sich im Takt ihrer Musik wiegte.
    Sie schläft mit Stefan, wie sie malt , fuhr es Amelie durch den Kopf.
    Stefan stöhnte und griff nach Laras Hüften. Er zog sie auf sich, beschleunigte den Takt, in dem sie eins wurden. Sein muskulöser Körper dirigierte, was auf ihm geschah.
    Lara ließ sich willig führen. Ihr Stöhnen wurde lauter, ihre Bewegungen heftiger.
    Amelie spürte ihre heißen Wangen. Sie sollte nicht hier stehen. Die Hitze breitete sich in ihr aus, sank tiefer. Sie fühlte ihre Schenkel. Ihr Innerstes.
    Laras Stöhnen mischte sich mit einem Fauchen. Stefan lachte leise.
    Amelie fuhr zurück. Was tat sie hier überhaupt? Das ging sie nichts an. Leise schlich sie zur Treppe und die Stufen hinab. Sie war kaum unten angelangt, als ein heller Ton durch den Flur stieß. Es klingelte. Die Geräusche aus dem Dachgeschoss brachen ab.
    Amelie ging eilig zur Tür, ehe ihre Schwester sie am Aufgang der Treppe sehen konnte. Ihre Beine fühlten sich weich an, das Blut pulsierte in ihrem Unterleib.
    Wer kann das sein? Sie riss die Tür auf. Der Schneefall war noch stärker geworden und wirbelnde Flöckchen umwehten den Mann im schwarzen Mantel, der vor ihr aufragte. Es war Alain! Alain Depát! Er stand dicht vor ihr, blickte auf sie herab. Sein bleiches Gesicht mit den weichen Lippen wurde schwach vom Licht des Flurs beleuchtet. Graugrüne Augen sahen sie so unverwandt an, dass ihre Wangen erneut heiß wurden. Es war, als könne er ihre Lust sehen. Als wisse er von ihrem verbotenen Tun, die eigene Schwester beobachtet zu haben. Unter seinem Blick war sie nackt. Seine Stimme hatte einen spöttischen Unterton.
    „Komme ich ungelegen?“
    „Nein! Äh ... doch, aber ...“ Amelie biss sich auf die Unterlippe. „Kommen Sie rein.“
    Er lächelte amüsiert. „Sie scheinen sich nicht sicher zu sein.“
    „Es geht schon. Kommen Sie mit ins Wohnzimmer. Möchten Sie einen Tee? Sie sind sicher ganz durchgefroren.“
    „Haben Sie Kaffee?“
    „Ich setze einen auf.“
    Sie half ihm, den schneebedeckten Mantel auszuziehen und an die Garderobe zu hängen. Während er ins Wohnzimmer ging und ganz selbstverständlich in den weinroten Sessel neben dem Kamin sank,
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