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Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart

Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart

Titel: Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart
Autoren: Sarah Schwartz
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Es waren gut zweihundert Meter bis zum Parkplatz, auf dem ihr kleiner roter Volvo stand.
    Das Gefühl, beobachtet zu werden, verstärkte sich. Ihr Herz schlug heftiger. Amelies Atem beschleunigte sich, als würde sie joggen.
    Die Büsche und Bäume auf ihrer rechten Seite grenzten den Friedhof vor der Mauer ab. Dort standen keine Grabsteine mehr. Die Sträucher boten genug Raum für einen Menschen, um sich zwischen ihnen, den Tannenzweigen und Baumstämmen zu verbergen.
    Amelie bewegte sich langsam vorwärts. Sie hatte im Fernsehen gesehen, dass man bei einer Verfolgung nicht davonrennen sollte, sondern ruhig bleiben musste.
    Ist ja nett, was Ratgeber einem alles nahelegen.
    Der Instinkt, davonzurennen, war übermächtig. Sie fühlte sich wie ein Tier, das einen Feind gewittert hatte. Einen mächtigen Feind. Ein Raubtier. Gleich würde es aus den Büschen hervorpreschen und seine Zähne in ihren Hals graben.
    Wieder raschelte es in den Sträuchern, keine drei Meter vom Weg entfernt. Ein dunkler Schatten erschien an einer Stelle mit kahlen Zweigen. Ein Schatten, groß wie ein Mann!
    Amelie schrie auf und rannte los. Ihre Stiefelabsätze schlugen auf den hart gefrorenen Sandweg. Sie sah nicht zurück. Panisch floh sie zum schmiedeeisernen Tor, an der kleinen Kapelle mit dem Kreuz vorbei, bis auf den Parkplatz. Sie griff mit zittrigen Händen nach dem Autoschlüssel in ihrer Tasche und schaffte es beim ersten Versuch, die Tür aufzuschließen.
    Sie sprang in den Wagen, schlug die Tür zu und drehte den Schlüssel um.
    Dann erst sah sie zurück. Sie keuchte auf. Was sie sah, musste eine Täuschung sein. Eine Wahnvorstellung ihrer überreizten Sinne. Aber es wirkte verdammt real!
    Gib Gas, Kleines . Hau einfach ab, verdammte Scheiße!
    Neben dem Ausgangstor an der Seite der Kapelle stand eine dunkle Gestalt. Sie war im Schatten einer Tanne nur schemenhaft zu sehen. Vermutlich war es ein Mann. Er trug einen weiten, schwarzen Mantel, und hielt in der ausgestreckten Hand einen glänzenden, langen Gegenstand. Ein Schwert. Der hohe, schlanke Körper ragte neben dem Tor auf wie der Geist eines Ritters.
    Amelie fuhr mit quietschenden Reifen an. Sie sah in den Rückspiegel.
    Der sonderbare Mann war verschwunden.
     
    Erst mehrere Kilometer später beruhigte sich ihr Atem. Sie war einfach losgefahren - Hauptsache, fort. Nun kehrte sie um. Das Dorf war klein. Der Friedhof lag zwar ein Stück außerhalb, aber eben doch nicht so weit von ihrem Haus entfernt, wie sie gefahren war.
    Sie hatte zuerst überlegt, sofort zur Polizeiwache der Kreisstadt zu fahren, doch es war schon spät.
    Stefan ist sicher schon bei uns.
    Der Polizist war der Verlobte ihrer Schwester und seit fünf Jahren Bewohner dieser lieblichen Ortschaft. Vor vier Jahren hatte er Lara zurückgeholt, nachdem sie fortgelaufen war, weil sie sich mit den Eltern nicht verstand. Außerdem war Lara dieser Ort unsäglich auf die Nerven gegangen. Als sechzehnjähriger Mensch musste man hier eingehen vor Langeweile. Es gab kein Kino und das einzige Restaurant war die Stammkneipe aller nicht-anonymen Alkoholiker des Dorfes.
    Lara fuhr auf das Ortsschild zu. Inzwischen hatte sich ihr Herzschlag beruhigt. Der Mann auf dem Friedhof musste nicht der Mörder gewesen sein. Sie war sich im Nachhinein nicht mehr sicher, ob der lange Gegenstand in seiner Hand wirklich ein Schwert gewesen war. Konnte es nicht auch ein Rechen oder ein sehr langer Regenschirm gewesen sein, und ihre überreizte Fantasie hatte daraus die Waffe eines Ritters gemacht?
    Amelie ging vom Gas und fuhr an einem Anwesen am Rand des Dorfes vorbei. Die hohen, weißen Mauern waren schneebedeckt und wirkten wie der Wall eines Schlosses. Das riesige, kunstvoll gefertigte Tor zeigte zwei auf den Hinterbeinen aufgerichtete Löwen. Neben dem Tor prangte auf einem schwarzen Schild ein silberner Namenszug: Alain Depát.
    Amelie lächelte unwillkürlich. Der junge Mann ließ sich kaum im Dorf blicken. Es wurde viel über ihn getratscht, denn als Alleinerbe einer über Jahrzehnte leer stehenden Villa, war er für die Dorfbewohner ein Fremdkörper. Zudem über die alte Villa noch vor wenigen Jahren die unheimlichsten Spukgeschichten umgegangen waren.
    Die Alkoholikerfraktion in der Kneipe „Zum Hirschen“ wusste jedenfalls samt dem Nähkranz der alten Emma Herzog sehr genau, dass Alain Depát der Mörder in ihrem kleinen Gemeindekreis war.
    Amelie hatte den jungen Mann ein Mal aus seiner Limousine steigen sehen, um Post in den
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