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Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart

Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart

Titel: Wenn es dunkel wird im Märchenwald ...: Ritter Blaubart
Autoren: Sarah Schwartz
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Lächeln stahl sich auf ihre Züge. Sie sah gut aus – umwerfend gut. Vielleicht war es doch verfrüht, davonzulaufen.
    „Woher haben Sie all Ihr Geld, Alain?“
    „Meine Familie war einmal adelig. Grundbesitz, aber auch Beziehungen haben über Jahrhunderte hinweg zu diesem Reichtum geführt.“
    Sie erreichten den Bankettsaal. Laute Stimmen und Gelächter klangen daraus hervor. An einer langen Tafel saßen an die fünfzig Menschen. Alle Anwesenden sahen reich und jung aus wie Schauspieler und Spitzensportler. Sie standen in der Blüte ihres Lebens. Wertvoller Schmuck blitzte im Licht der dicken Kerzen, die in Leuchtern mit langen eisernen Ketten steckten. Eigentlich hatte Amelie die Maske, die sie der Hand hielt, aufsetzen wollen, doch jetzt schämte sie sich für dieses preiswerte venezianische Modell, das in keiner Weise mit den Masken der Anwesenden konkurrieren konnte. Sie steckte die Maske kurzerhand in den Beutel, in dem ihre Schminksachen und ihr Handy lagen.
    Pierre ging an ihnen vorbei zu einem Flügel. Er setzte sich und begann, ungeachtet der Menschenmenge zu spielen. Während Amelie verblüfft stehen blieb und dem barocken Stück lauschte, beachteten die anderen Gäste die Musik gar nicht, als seien sie das Spielen gewohnt. Amelie konnte sich kaum losreißen, musste aber ihrer Schwester und Alain folgen, wenn sie nicht den Anschluss verlieren wollte.
    „Bitte sehr“, Alain wies auf einen leeren Stuhl gleich neben dem Kopfende der langen Tafel. Sie setzte sich und sah auf die Vorspeisen, die in greifbarer Nähe zwischen silbernen Kerzenständern auf glänzenden Platten lagen: Pyramiden von Schinkenröllchen mit Melonenstücken, Flusskrebse und Garnelen waren auf Reishäppchen drapiert, Spieße aus weißem Fleisch, überzogen von einem hellbraunen Soßenmuster und Lachs neben kunstvoll angeordneten geflochtenen Brotkörben.
    Alain bemerkte ihren Blick. „Zum Glück gibt es fünfzig Kilometer weiter einen guten Partyservice. Greifen Sie ruhig zu.“
    Lara bediente sich bereits, während Stefan den Gastgeber betrachtete.
    „Finden Sie es nicht makaber, in einer Nacht zu feiern, in der vielleicht eine Frau ermordet wird?“
    Amelie umklammerte den weißen Samtbeutel auf ihrem Schoß. Wie konnte Stefan so undiplomatisch sein? Legte er es auf einen Streit an?
    Alains freundliche Miene veränderte sich nicht. „Ich hoffe, dass in dieser Nacht niemand stirbt. Und wenn, können Sie es kaum mir anlasten.“ Beim Sprechen zeigten sich seine spitzen Eckzähne. Amelie fiel auf, dass in seinem silbernen Becher kein Wein war. Auch seine Essplatte sah unbenutzt aus.
    Kein Wunder, wenn ich künstliche Zähne im Mund hätte, würde ich auch nichts essen.
    Stefan brummte, schien sich aber mit der Antwort zufriedenzugeben.
    Lara legte ihm ein Stück Lachs auf den Teller. „Sei kein Griesgram, Stefan. Immerhin hat uns Alain extra eingeladen. Wir können später sein Anwesen durchsuchen und deine Zweifel zerstreuen.“
    „Nur zu“, Alain lehnte sich zurück und ließ seine Blicke über den Tisch und seine Gäste streifen. Ihm schien zu gefallen, was er sah. Zuletzt blickte er auf Amelie. Während Stefan und Lara ihre Masken bereits aufgesetzt hatten, saß sie ohne da.
    „Sie tragen Ihre Maske nicht“, stellte er fest. Lag in seinen Worten eine Rüge?
    „Sie tragen ebenfalls keine.“
    „Richtig. Aber vielleicht brauche ich ja keine. Vielleicht ist mein Gesicht Maske genug.“
    „Vielleicht habe ich im Gegensatz zu Ihnen nichts zu verbergen.“
    Er lachte leise. „Mag sein.“
    Sie sahen einander an. Hitze stieg in ihr auf. Wieder war ihr, als höre sie diese Stimme, die sie umschmeichelte, die um sie warb. Dieses Mal konnte sie verstehen, was die fremde Stimme sagte. Später , schien sie zu flüstern. Später.
    Verwirrt schüttelte sie den Kopf.
    Alain erhob sich. „Ich muss noch ein wenig Small Talk führen. Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause, Amelie.“ Er nickte ihr zu und ging zu einer kleinen Gruppe von Gästen, die bei Pierre am Flügel standen und sich unterhielten.
    Amelie lauschte den schwermütigen Klängen des Flügels. Die Musik nahm sie gefangen und übertönte die Gespräche, lenkte sie ab von den neugierigen Blicken, die ihr immer wieder begegneten.
    In dieser Musik liegt eine Schwermut, die schön ist. Verlorene Heimat. Unsterblichkeit.
    Amelie schloss die Augen, um sich ganz auf die eindringlichen Töne konzentrieren zu können.
    In ihrer Gedankenwelt tauchten all die Menschen im Raum
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