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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
Autoren: Luanne Rice
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habe – sorg dafür, dass sie wach bleibt.«
    »Okay. Beeil dich!«, erwiderte Jenna.
    Shane sprang auf. »Halt nach der Eule Ausschau«, sagte er nochmals zu Mickey, dann rannte er los. Früher, in einer anderen Phase seines Lebens, war er Kurzstreckenläufer und Mitglied der Leichtathletikmannschaft gewesen. Seine bevorzugte Disziplin war der Sprint über eine Distanz von hundert Metern, aber als Langstreckenläufer schnitt er auch nicht schlecht ab. Im Moment lief er wie bei einem Kurzstreckenlauf – von Anfang an volles Tempo –, obwohl er fünf Meilen bis zur Hauptstraße zurücklegen musste.
    Er war noch ein Kind gewesen, als sein Vater starb, aber wenn er die Chance gehabt hätte, so wie heute loszulaufen und Hilfe herbeizuholen, hätte er sie ergriffen. Er wusste, was auf dem Spiel stand, und dass er um keinen Preis der Welt scheitern durfte. Nachdem er den ganzen Winter über gesurft und die mächtigen Kreuzwellen des Atlantiks bezwungen hatte, konnte ihn nichts mehr schrecken. Der Gedanke an Mickeys Blick veranlasste ihn, das Letzte aus sich herauszuholen und schneller zu laufen als je zuvor in seinem Leben.
    Er rannte die Straße entlang, die Dünen zu seiner Rechten. Hier lichtete sich das Dickicht und ein eisiger Wind blies mit voller Kraft vom Meer herüber. Sand war auf den Asphalt geweht; er sah die Überreste der Reifenspuren und bewunderte die beiden Mädchen, die an einem solchen Tag mit dem Rad hierher gefahren waren. Kaum jemand liebte diesen entlegenen Strand so wie er; auch die meisten seiner Surfer-Kumpel konnten ihm im Winter wenig abgewinnen. Sie bevorzugten leichter erreichbare Surfspots, wie den Strand am Stadtrand. Mickey hatte die Schneeeule erwähnt. War der Vogel der Grund, dass sie bei fünf Grad minus den beschwerlichen Weg auf sich genommen hatte?
    Als er zur Rangerstation gelangte, hatte er ein flaues Gefühl im Magen. Das würde kein Zuckerschlecken werden. O’Caseys grüner Truck parkte vor dem niedrigen, einstöckigen Gebäude. Graublau gestrichen, in der Farbe, die der Ozean im Januar aufwies, verschmolz die Station mit dem Meer, dem Himmel und dem Strand selbst.
    Shane rannte die Stufen hinauf und stürmte ins Büro. O’Casey saß in seiner Khakiuniform am Schreibtisch und musterte ihn über den Rand seiner Lesebrille; er sah genauso aus, wie man sich einen hartgesottenen Burschen vorstellte, der das Gesetz vertrat. Ein ehemaliger Marine, munkelte man, der weder Tod noch Teufel fürchtete. Dass er zu dieser Elitetruppe gehört hatte, überraschte Shane nicht, und er dachte an seine Mutter, die sich unten in Camp Lejeune befand. Lauter Idioten. Shane stand schweigend da und erwiderte den Blick, wollte nicht, dass der Ranger bemerkte, wie atemlos er war. Er sah, wie sich O’Casey versteifte, wie sich seine Hand näher und näher an die Schreibtischschublade schob. Hatte er eine Waffe darin versteckt? Heiliges Kanonenrohr, auch das noch!
    »Was willst du denn schon wieder hier?«
    »Rufen Sie die 911 an! Wir brauchen einen Krankenwagen!« Shane sah seinen alten Erzfeind an.
    »Was redest du da?«
    »Da draußen liegt ein verletztes Mädchen. Beeilen Sie sich!«
    Der Ranger war bereits aufgesprungen. Mit der einen Hand ergriff er das Funkgerät – ein Knistern in der Leitung, dann gab er dem Fahrdienstleiter der Polizei die Informationen durch, die Shane ihm gab: »Verletztes Mädchen, Fahrradunfall, Beach Road, Meilenstein 3, unweit des Piers.« Mit der anderen Hand schnappte er seine Jacke, Staatseigentum, unhandlich, grün und genauso abgetragen wie der Parka, mit dem Shane Mickey zugedeckt hatte.
    In diesem Moment registrierte O’Casey, dass Shane keine Jacke trug und warf ihm seine zu. Shane wäre lieber tot umgefallen, als sie anzuziehen. Er wich in Richtung Tür zurück, um auf Abstand zu gehen. Mit einer Größe von 1,92 überragte O’Casey ihn. Seine Schultern waren muskulös, und für sein Alter wirkte er ziemlich fit und durchtrainiert. Seine Haut war von Wind und Wetter gegerbt und zerfurcht, die Haare beinahe völlig ergraut. Seine Augen hinter der Brille erweckten den Eindruck, als hätte er sein ganzes Leben im Kampf verbracht oder danach Ausschau gehalten. Sein Blick jagte Shane einen Schauer über den Rücken.
    O’Casey sperrte die Tür hinter sich ab und folgte Shane die Stufen hinab. Sie stiegen in den Beach-Truck. Die hintere Sitzbank war vollgestopft mit zusammengerollten Seilen, Feldstechern, knorrigen alten Lederhandschuhen und dem Karton einer
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