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Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter

Titel: Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
Autoren: Tara Hudson
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Jillian gelangen, wenn ich mich nur heftig genug danach sehnte.
    Mich dort materialisieren.
    Ich wiederholte die Worte im Kopf, während ich mir Jillians Gesicht vorstellte. Zu meiner unendlichen Erleichterung funktionierte es, und zwar viel schneller als je zuvor. Nur Sekunden später schlug ich die Augen auf und erblickte die vertraute, grünlich-schwarze Dunkelheit.
    Diesmal ließ mich der Anblick des wogenden Wassers um mich her nicht in Panik verfallen. Gott sei Dank wurde ich allmählich Expertin darin, durch diesen Fluss zu steuern, denn jetzt war ich zu einem ganz bestimmten Zweck hier. Ich drehte mich suchend um.
    Schließlich erblickte ich eine undeutliche Gestalt, die ein paar Meter von mir entfernt trieb, bewusstlos und gefährlich friedlich. Ein dunkler Streifen, bei dem es sich nur um Blut handeln konnte, wehte im Wasser direkt über ihr.
    Ich drehte rasch den Kopf und suchte nach Joshua. Aus Erfahrung wusste ich, dass ich nichts für sie tun konnte, und ich fragte mich, warum mir dieser Gedanke nicht schon vorher gekommen war, als ich zu Joshua gesagt hatte, ich werde zuerst zu ihr gelangen.
    » Joshua?«, rief ich. Meine Stimme war, da ich ja ein Geist war, völlig klar und vom Wasser unverändert.
    Niemand reagierte. Ich sah wieder zu Jillian. Ihr Kopf bewegte sich leicht in der Strömung. Die Bewegung schüttelte ein paar Bläschen los, die rasch von ihren Lippen an die Wasseroberfläche stiegen. Ich runzelte die Stirn, unsicher, was ich tun sollte.
    Da hörte ich ein schwaches Geräusch. Ein Bumm, Bumm, Bumm einen knappen Meter von mir entfernt. Ein rhythmisches, klopfendes, lebendiges Schlagen.
    Das Schlagen von Jillians Herz.
    Der Klang ihres Herzklopfens konnte nur eines bedeuten, wenn ich ihn vernahm: Jillian Mayhew würde sterben, und zwar bald.
    » Joshua!«, schrie ich und wirbelte wieder hektisch im Wasser herum. Nachdem ich mich etliche Male gedreht hatte, fand ich ihn, auch wenn mir klar wurde, dass er uns nicht viel würde weiterhelfen können.
    Ich erblickte ihn, im Wasser, aber weit über uns. Er hatte den Kopf über Wasser und konnte deshalb mein Rufen nicht hören. Noch beunruhigender war jedoch der Umstand, dass er in die falsche Richtung schwamm, weg von uns und flussaufwärts.
    Die Strömung hatte Jillian wahrscheinlich mindestens sechs Meter von der Stelle fortgetragen, an der sie in den Fluss gestürzt war – der Stelle, zu der Joshua jetzt hinschwamm. Wenn Joshua seinen Kurs beibehielt, würde er uns niemals finden. Jedenfalls nicht rechtzeitig, um Jillian zu retten, dem hörbaren Schlagen ihres Herzens nach zu urteilen.
    Ich schwamm die kurze Strecke zu Jillian und griff nach ihr, versuchte vergeblich, die Falten ihrer dünnen Jacke zu packen. Als das nicht klappte, streckte ich die Hand nach der Kapuze in ihrem Nacken aus und betete, dass sich meine Fähigkeit, ihren Bruder zu berühren, jetzt auch bei ihr zeigen würde.
    Dem war nicht so. Meine Hände griffen ins Leere. Ich spürte den Druck ihrer Kleidung, aber nicht die Kleidung an sich. Es war, als sei Jillian von einem unsichtbaren Schutzschild gegen meine toten Hände umgeben. So sehr ich auch Joshua berühren oder Eli wehtun konnte, konnte ich Jillian doch nicht bewegen.
    Ich konnte ihr nicht helfen.
    Diese Erkenntnis brach schmerzlich über mich herein. Am liebsten hätte ich den Kopf zurückgeworfen und das dunkle Wasser angeschrien. Über meine eigene Nutzlosigkeit geheult.
    » Bitte!«, rief ich durch das dunkle Wasser. » Bitte hilf mir. Ich … ich weiß nicht, was ich tun soll. Bitte hilf mir.«
    Jillian sank ein Stückchen tiefer, während ihr Herz weiter schlug. Das Klopfen verlangsamte sich merklich und wurde in meinen toten Ohren immer lauter. Ich hob die Hände ans Gesicht und bedeckte es in dem feigen Versuch, mir den Anblick von Jillian Mayhews Tod zu ersparen.
    In dem Moment beantwortete etwas – oder jemand – meine Gebete.
    Zuerst sah ich es nicht wirklich. Ich war zu sehr mit meinem Kummer beschäftigt, steckte zu tief in meinem Elend. Doch etwas glänzte rot vor meinen Augen, hell und hartnäckig, und lenkte mich ab. Ich zog die Hände von meinem Gesicht und betrachtete mit gerunzelter Stirn das kleine Licht, das sich in ihnen gebildet zu haben schien.
    Das Glühen bewegte sich wie eine kleine Feuerzunge, pulsierend und flackernd, über meine Haut. Es sah aus, als hielte ich die Flamme, während sie in meinen Handflächen tanzte. Diese Vorstellung ergab natürlich keinen Sinn. Dennoch tanzte das
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