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Wenn auch nur fuer einen Tag

Wenn auch nur fuer einen Tag

Titel: Wenn auch nur fuer einen Tag
Autoren: Annette Moser
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Rom vermissen, Kleiner, aber wahrscheinlich längst nicht so sehr wie deine Freundin in Hamburg.«
    »Seine Freundin? Matteo, du hast ein Mädchen kennengelernt?« Meine Mutter beugt sich neugierig in meine Richtung.
    »Nein! Ja, aber …«
    »Kein Aber«, unterbricht mich Fabio. »Er liebt Jana über alles. Ich habe sie kennengelernt, als ich Matteo in Hamburg … ähm … abholen wollte. Sie ist wirklich der Wahnsinn. Etwas Besonderes, das man nicht so einfach aufgeben sollte.«
    »Fabio, bitte!« Ich versuche, meinen Bruder zu stoppen. Checkt er denn nicht, was er da gerade anrichtet? Dass ich auf keinen Fall mit unseren Eltern darüber reden will, wen ich da in Hamburg kennengelernt habe und was zwischen uns vorgefallen ist?
    Aber Fabio macht erbarmungslos weiter. »Jetzt reg dich ab und lass mich gefälligst ausreden, okay? Ich hab vorige Woche mit Jana telefoniert.«
    »Du hast was? Ohne mich zu fragen? Hast du sie noch alle, Mann?«
    »Erst war sie zugegebenermaßen nicht besonders erfreut über meinen Anruf. Aber dann hat sie mir zugehört. Wir haben lange geredet und …«
    »Ja?« Mein Herz klopft.
    »Sie hat es zwar nicht direkt ausgesprochen, aber … Matteo, ich habe es aus jedem einzelnen ihrer Worte herausgehört.«
    »Was?«
    »Dass sie dich vermisst, idiota . Trotz allem.«

Jana
    Ich bin jetzt seit vier Tagen in Rom. Aber niemand weiß es. Ich wollte erst Zeit für mich haben, bevor ich den nächsten Schritt wage.
    Ich sitze in der Abendsonne am Barberini-Brunnen und lausche mit geschlossenen Augen dem Plätschern des Wassers und dem Gemurmel der Leute, die über den Platz schlendern und in den Straßencafés sitzen.
    Ich hatte Angst, dass ich die Stadt vielleicht hassen würde, nach allem, was dort vorgefallen ist, aber das ist nicht so. Ich verstehe, warum Flo hier so glücklich war. Und nun endlich all die Orte kennenzulernen, von denen er mir vorgeschwärmt hat, gibt mir das Gefühl, ihm ganz nahe zu sein.
    Ich hole den Stadtplan aus meiner Handtasche, in dem die Routen eingezeichnet sind, die mein Bruder gegangen ist. Ein neues rotes Kreuzchen ist dazugekommen. Die Villa der Familie Orsini.
    Ich merke, wie mein Herz augenblicklich zu flattern beginnt, und ich klappe den Stadtplan schnell wieder zu. Ich weiß den Weg von hier aus sowieso auswendig. Das ist nicht das Problem. Ich bin ihn in Gedanken schon ganz oft gegangen. Ihn tatsächlich zu gehen, ist viel schwieriger.
    Ich überwinde mich aufzustehen und klopfe den Staub von meinen kurzen Jeans. Ich weiß, ich kann unser Wiedersehen nicht länger aufschieben. Ich habe lange genug über alles nachgedacht. Ich habe stundenlang mit Beck geredet, mit seiner Frau, mit Carla und mit Alex. Und vor drei Wochen sogar mit Fabio. Alle sagten dasselbe. Die Sache zwischen uns wäre noch nicht abgeschlossen. Wir könnten uns nicht für immer aus dem Weg gehen, ohne wenigstens ein letztes Mal miteinander gesprochen zu haben.
    Ich weiß inzwischen, dass Lukas – oder Matteo, wie er eigentlich heißt – keine Schuld an Flos Tod hat. Und ich weiß auch, dass mein Bruder ihm keinen Vorwurf machen würde.
    Bloß was meine eigenen Gefühle betrifft, bin ich mir unsicher. Ich dachte, eines Morgens würde ich aufwachen und wissen, wie mein Herz zu ihm steht, aber bis jetzt ist es nicht passiert. Und genau deshalb muss ich ihn treffen. Ich glaube, wenn ich ihm gegenüberstehe und in sein Gesicht blicke, werde ich die Antwort bekommen, nach der ich suche. Die Antwort auf meine Frage, ob wir nach allem, was vorgefallen ist, noch eine Chance haben.
    Als ich die Via Veneto hinauflaufe, fröstle ich trotz der Sommerwärme, die jeder einzelne Pflasterstein ausstrahlt, und ich spüre, wie der Kloß aus Angst in mir wächst. Ich habe Angst vor dem, was ich empfinden werde, wenn ich in seine Augen blicke. Angst vor seiner Reaktion. Angst davor zu erkennen, dass es ein Fehler war herzukommen. Angst davor, dass die Antwort auf meine so oft gestellte Frage »Nein« lautet.
    Ich wünschte, die Straße würde niemals enden, aber schließlich stehe ich doch vor der großen herrschaftlichen Villa der Famiglia Orsini .
    Verrückt, denke ich, als ich staunend die riesige Fassade mit den Stuckverzierungen und den unzähligen Fenstern hinaufblicke. Lukas Richter hauste in einem schäbigen Minizimmer im Studentenwohnheim. Matteo Orsini wuchs in einem Palast auf. Jetzt verstehe ich, was er meinte, als er mir damals erklärte, sein Leben wäre ziemlich kompliziert. Auch er hat viel
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