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Wenn alle anderen schlafen

Wenn alle anderen schlafen

Titel: Wenn alle anderen schlafen
Autoren: Marcia Muller
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schlichte
Gedankenlosigkeit.«
    »Hat ja keinen bleibenden
Schaden angerichtet.« Ich ging die Treppe hinunter.
    »Ich hätte nicht so gebrüllt«,
setzte Glenna hinzu, »wenn ich nicht schon die ganze Zeit drauf gewartet hätte,
Sie mal zu sehen. Ich muß Ihnen was erzählen. Ich habe da am Wochenende was
Komisches erlebt.«
    »Ach?«
    Sie nickte und guckte für eine
Person mit einem so sonnigen Gemüt erstaunlich ernst drein. Als ich Glenna
kennenlernte, fand ich ihre Fröhlichkeit suspekt; kein Mensch konnte permanent
so gut aufgelegt sein — geschweige denn so nett. Doch als ich sie dann besser
kannte, merkte ich, wie echt ihr Verhalten war, und wir freundeten uns an. Ich
suchte häufig ihre Gesellschaft, wenn ich schlecht drauf war, und in diesen
verregneten Wochen seit Weihnachten hatte ich oft in ihrem Büro gesessen und
mit ihr Tee getrunken.
    »Ist eine längere Geschichte«,
sagte sie, »aber ich schätze, je eher Sie’s hören, desto besser. Wie wär’s mit
einem Cognac? Ich habe noch eine Weihnachtsflasche in meinem Schreibtisch.«
    Cognac klang prima. »Nichts wie
hin.«
     
    Während Glenna in ihrem
Schneideraum Gläser suchte, saß ich in einem der tiefen Segeltuchsessel in
ihrem Büro und hörte zu, wie der Regen gegen das hohe Bogenfenster auf der
Embarcadero-Seite prasselte. Das Hills Plaza — eine ehemalige Kaffeerösterei
drüben auf der anderen Seite des Uferboulevards, inzwischen zu einem Wohn- und
Geschäftskomplex umgebaut — war weitgehend dunkel; die schimmernden Kugeln der
altmodischen Straßenlaternen entlang der Bahngleise beleuchteten die Wedel der
frischgepflanzten Palmen. Ich erblickte mein eigenes Spiegelbild in der Scheibe
und guckte weg, weil ich so müde aussah.
    Ein Klirren kam aus dem
Schneideraum, und Glenna rief: »Mist!«
    »Alles klar?«
    »Mit mir schon, aber mit dem
Cognacschwenker nicht.«
    Ich lächelte. Wenn in Glennas
Schneideraum ein ähnliches Chaos herrschte wie hier im Büro, hatte das Glas
wohl ziemlich prekär gestanden. Gerahmte Plakate ihrer Dokumentarfilme — über
so unterschiedliche Themen wie die Volksmedizin der Appalachen und die Ökologie
des Great-Barrier-Riffs — lehnten in Abständen an den Wänden und warteten, seit
ich Glenna kannte, darauf, aufgehängt zu werden.
    Glenna kam wieder herein,
leicht rot im Gesicht, in jeder Hand einen Plastikbecher. Sie goß Cognac ein,
gab mir den einen Becher und setzte sich in den anderen Sessel. »Ja, dort drin
ist es auch ganz schön chaotisch«, sagte sie. »Deshalb ist jetzt auch mein
letztes Cognacglas zu Bruch gegangen. Ich plane eine Aufräumaktion, irgendwann
in den nächsten Tagen. Oder Jahren.«
    »Wohl eher Jahren.«
    »Sie kennen mich doch — ich bin
hoffnungslos.« Aber sie grinste fröhlich, ganz zufrieden mit ihrer
Schlampigkeit. »Und? Was machen Sie so spät noch hier?«
    Ich zuckte die Achseln und nahm
einen Schluck. »Papierkram.«
    »Schaffen Sie das nicht während
Ihrer Geschäftszeiten?«
    »Nein, es sei denn, ich kette
mich an meinem Schreibtisch fest — und ich habe diese Detektei gegründet, um
nicht in einem Büro eingesperrt zu sein. Außerdem habe ich den größten Teil des
Nachmittags damit verbracht, Ted klären zu helfen, welchen Kopierer er kaufen
soll. Natürlich muß ihn gerade dann ein absolut atypischer Anfall von
Entscheidungsunfähigkeit überkommen, wenn mein Postkorb total voll ist. Er
benimmt sich in letzter Zeit sowieso sehr merkwürdig. Es ist die Hölle, wenn
man nicht mal mehr auf seinen verläßlichsten Angestellten zählen kann.«
    »Hey, Sie klingen ja wie ich.
Werd dein eigener Boß, und du wirst härter und länger arbeiten, als du’s je für
jemand anderen getan hast.«
    »Genau.« Trotzdem, ich bereute
diese Entscheidung nicht. Das Ermittlungsbüro McCone expandierte und warf Gewinn
ab. Wir erwarben langsam, aber stetig den Ruf, solide, intelligente und
verläßliche Arbeit zu leisten.
    »Also«, sagte ich zu Glenna,
»was war das für eine komische Sache, von der Sie mir erzählen wollten?«
    Ihr kleines Gesicht wurde
wieder ernst. »Tja, Sie wissen doch, daß ich im Vorstand des Bay Area Film
Council sitze?«
    Ich nickte.
    »Samstag abend gab es eine
tolle Fund-Raising-Party, im Penthouse eines Mäzens am Russian Hill. Eine
Cocktailparty für ein paar hundert Leute. Das Geld ist nur so geflossen. Natürlich
schärfste Sicherheitsmaßnahmen und spezielle Namensschilder, damit sich nicht
Krethi und Plethi einschleichen konnten. Ich habe wie verrückt
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