Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Wendland & Adrian 02 - Die Krypta

Titel: Wendland & Adrian 02 - Die Krypta
Autoren: Thomas Görden
Vom Netzwerk:
gleichzeitig ihr Temperament aufbrausender und unbeherrschter. Früher war sie ihm sanfter und ausgeglichener erschienen. Sie ist es doch, die sich verändert hat , überlegte er. Sie wird mir fremd. Oder war diese Fremdheit immer schon da und fällt mir erst jetzt stärker auf? Er hatte das Gefühl, dass er niemals Zugang zu der merkwürdigen Welt finden würde, in der Chris lebte. In dieser Welt werde ich immer nur am Rand stehen, dachte er. Damals, als sie sich ineinander verliebt hatten, hatte es ihm nichts ausgemacht, aber das war lange her.
    Das Land sprach nicht mit ihm. Schweigend und kalt lag es unter der Schneedecke. Er wusste, dass er niemals jene Stimmen hören würde, die Chris hörte
    - oder zu hören glaubte. Der Garten und die bewaldeten Hügel dahinter erschienen ihm unwirtlich und leer. Ich kann mich in der Natur nicht so geborgen fühlen wie Chris, dachte er und ging missmutig ins Haus zurück.
    Chris telefonierte wie immer ziemlich lange mit Susanne. Sie saß im Wohnzimmer und er achtete nicht auf das, was sie redeten, während er sich Kaffee kochte und Brote schmierte. Als sie fertig war, kam sie in die Küche, holte Wurst, Käse und Butter, die er gerade weggestellt hatte, wieder aus dem Kühlschrank, außerdem noch ein von gestern übrig gebliebenes Stück Torte. Sie schnitt sich zwei Brotscheiben ab, die sie sehr dick mit Butter bestrich und mit Salamischeiben belegte. Obendrauf kam noch reichlich Senf. »Guck nicht so«, sagte Chris mit vollem Mund. »Ich hab schon mindestens drei Stunden nichts mehr gegessen. Wir hatten so viel Stress mit diesem blöden, störrischen Damhirsch. Und dann noch der Scheiß-Brief! Wenn ich was Leckeres esse, fühl ich mich gleich besser.«
    Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Früher hast du mich einfach so akzeptiert, wie ich bin, statt ständig an mir herumzukritisieren.«
    »Ich habe doch gar nichts gesagt«, entgegnete Jonas, während er den Kaffee in die Thermoskanne füllte. Er mochte ihre neue Frisur nicht. Ihre wallende, blonde Löwenmähne hatte ihm besser gefallen. Mit diesem Kurzhaarschnitt und dem kleinen, albernen Zöpfchen, das über ihrer linken Schläfe herabbaumelte, sah sie aus wie eine Punkerin. Außer dem fiel dadurch noch viel mehr auf, wie breit und pausbäckig ihr Gesicht geworden war.
    Sie schnaubte. »Ja! Aber dieser Blick!«
    Er packte Brote und Thermoskanne in die Aktentasche und schnallte sich seine Dienstpistole um.
    »Tut mir übrigens Leid«, sagte Chris. »Das mit Morgen wird nichts. Ich muss nach Köln. Susanne hat mich um Hilfe gebeten. Sie hat Probleme mit einer Stadtstreicherin. Die ist wichtige Zeugin in einem Mordfall. Da ist so ein hoher Bischof, oder was auch immer, ermordet worden. Die Leiche lag mitten vor dem Dom! Na, und diese Frau ist offenbar ziemlich wirr im Kopf«
    - Chris grinste -, »fast so wie ich. Jedenfalls möchte Susanne, dass ich mal mit ihr rede. Sie meint, ich könnte vielleicht einen Draht zu ihr finden.«
    Lahm und, wie Jonas fand, nicht sonderlich schuldbewusst setzte sie hinzu: »Ich hoffe, du bist nicht böse deshalb.«
    Sie schaffte es wieder einmal, ihn wütend zu machen. »Morgen ist mein freier Nachmittag«, sagte er mühsam beherrscht. »Wir wollten mit Peter und Martina ins Thermalbad fahren.«
    Sie warf ihm jenen Blick zu, der signalisierte, dass sie eine Entscheidung getroffen hatte und nicht diskutieren wollte. »Jonas, Susanne hat mich um meine Hilfe als Schamanin gebeten. Du weißt, dass es meine Aufgabe ist zu helfen, wenn meine Fähigkeiten gebraucht werden. Außer dem freue ich mich auf Susanne. Wir haben uns schon über ein Vierteljahr nicht gesehen.«
    »Natürlich«, stieß er hervor. »Nein, ich bin nicht böse! Warum auch?«
    Er packte seine Aktentasche und stürmte grußlos aus dem Haus. Wäre er noch einmal umgekehrt, hätte er gesehen, wie Chris Tränen übers Gesicht liefen. Sie wischte sie rasch mit dem Handrücken ab und schnäuzte sich die Nase. Dann schlang sie noch zwei Brote hinunter und anschließend das Stück Torte.
    Dunstige Abenddämmerung senkte sich über das flache Land nordwestlich von Köln. Die dunklen Umrisse der Braunkohlebagger erinnerten an gewaltige Dinosaurier. Dröhnend drangen die Fressgeräusche ihrer zwanzig Meter hohen Schaufelräder aus der Grube. Von dem Aussichtspunkt oben am Rand des Tagebaus Hambach reichte sein Blick weit über die bloßgelegten Erdschichten.
    Der Geist herrscht über die Materie, dachte er. Das wird hier aufs
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher