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Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Wen liebst du, wenn ich tot bin?

Titel: Wen liebst du, wenn ich tot bin?
Autoren: Arena
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gelegt. Neben ihnen, aber ganz für sich allein, steht Austin. Fraz, Billy Whizz, der Kaninchenjäger, der Schweinefarmer und Big Chapmum stehen beieinander und fühlen sich sichtlich unwohl in ihren Anzügen.
    Als Letzte in der Reihe stehen ein paar von Sams Lehrern und Miss Ryan, seine diesjährige Klassenlehrerin. Die meisten Schulkameraden und alle aus seiner Clique sind gekommen, auch ein paar Kinder aus anderen Klassenstufen. Die viel bewunderten Handball-Mädchen der County-Mannschaft klammern sich aneinander, als Dad und die anderen Sargträger zum Leichenwagen gehen. Ally Fletcher, die ein einziges Mal mit Sam ins Kino gegangen ist, fängt an zu weinen.
    Fraz klopft Dad auf die Schulter, und Benjys Vater Steve drückt Benjy den Arm. Mums Brüder Tim und Martin treten gemeinsam vor. Sie alle stellen sich auf, dann ziehen sie den Sarg aus dem Leichenwagen. Es ist so verrückt, denn es ist dem Sarg nicht anzusehen, dass ein Junge darin liegt. Er war keine sechzehn Jahre alt, aber der Sarg ist so groß wie der eines erwachsenen Mannes.
    Es ist nicht nur, weil er so jung war, sein Tod kam auch so plötzlich. Niemand sollte so umkommen wie er – das sagen alle die Gesichter hier.
    Ich stelle mir vor, wie er da liegt, in der viel zu großen Kiste, und ich möchte sie aufhalten. Ich möchte die Kiste öffnen und zu ihm hineinsteigen. Ihn ganz fest in eine Decke wickeln. Ich kann den Gedanken, dass ihm kalt ist, nicht ertragen.
    Father Caffrey kommt aus der Kapelle. Mit ernsten Mienen stimmen sich die Sargträger leise ab, wann sie den Sarg anheben und wann sie mit ihm losgehen. Mit gemessenen Schritten setzen sie sich in Bewegung. Benjy ist der kleinste, aber er geht in der Mitte, deshalb spielt es keine Rolle. Er hat darauf bestanden, den Sarg mitzutragen.
    Mum und ich gehen hinter ihnen her. Sie reibt mit dem Daumen so fest über meine Finger, dass die Knochen wehtun.
    Aus dem Augenwinkel sehe ich Leanne in der Menge. Sie schluchzt, weint herzzerreißende Tränen, die ich nicht mehr weinen kann. Ein Mann mit tatöwierten Fingerknöcheln hat seinen Arm um sie gelegt. Er scheint alles tun zu wollen, nur damit sie zu weinen aufhört.
    Bestimmt sind es an die hundert Menschen, die hinter uns hergehen, aber ich höre keinen einzigen Schritt. In der Kapelle ist es kalt, sie erinnert mich an Sams Krankenzimmer. Es riecht nach abgestandenem Atem. Ich möchte weg von hier.
    Während sich die Trauergäste in die Kirchenbänke verteilen, erklingen die ersten Takte von Tears in Heaven. Father Caffrey steht mit ernster Miene am Lesepult und nickt den Menschen zu. Die Gitarre rührt etwas ganz tief in meinem Inneren an und einen Moment lang begreife ich sogar, warum wir alle hier sind.
    Die Männer stellen den Sarg vorne links auf ein Podest, dann gehen sie zurück auf ihre Plätze. Dad neben mir zittert. Ich nehme seine Hand. Sie fühlt sich schlaff an.
    Mum behält unbeirrt ihre Sonnenbrille auf. Ich spüre, wie sie kerzengerade neben mir sitzt, neben ihr Tess, dann Benjy und ganz außen sein Vater Steve.
    Father Caffrey lässt die Gitarre verklingen und wartet noch einen kurzen Moment, ehe er zu sprechen beginnt. Die Menschen rutschen auf ihren Sitzen hin und her und schniefen. Die Holzbänke knarren, und die Luft ist schwer und dicht, weil endlich einmal alle zuhören.
    Father Caffrey spricht, aber ich weiß nicht, was er sagt. Ich schaue auf das Gottesdienstblatt. Sam grinst mir daraus entgegen. Ich habe dieses Foto im vergangenen Jahr aufgenommen, kurz bevor die Schule wieder anfing. Mum hatte Sam gerade gesagt, er solle sich mal wieder beruhigen. Er hatte nämlich Wasser über Matty gegossen, die sich sonnte. Benjy, der nicht auf dem Bild ist, lacht darüber. Sam hat lange Haare, die Locken fallen auf seine Stirn und über seine Ohren. Im Hintergrund sind Mattys nackte Füße zu erkennen.
    Tess trägt jetzt ein Gedicht vor, es ist eigentlich ganz egal, ob es schön ist oder nicht, denn ich halte ein Bild von Sam in der Hand und er sieht darauf so vergnügt aus, und ich wüsste so gerne, wo er jetzt wohl ist. Ich kann nicht zum Sarg schauen und auch nicht zu Tess. Ich blicke einzig und allein auf das Foto und gestehe mir das ein, was nicht mehr wegzuleugnen ist: Mein großer Bruder ist tot.
    ». … weil nun nichts mehr je wieder gut werden kann«, schließt Tess mit versagender Stimme. Sie geht wieder an ihren Platz zurück. Benjy legt den Arm um sie.
    Father Caffrey bittet Mum nach vorne. Sie steht auf, dann setzt sie
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