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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Paul Waters
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vorschieben hören?«
    Er sah mich an, doch ich eilte bereits an ihm vorbei zur Tür und drückte die schwere schmiedeeiserne Klinke. Die Tür schwang auf.
    Ich spähte über den dunklen Hof. Marcellus, der neben mich getreten war, tat es mir gleich.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte er, »es sei denn …«
    Ehe er den Satz zu Ende bringen konnte, fasste ich ihn am Arm und bedeutete ihm, still zu sein. Gegenüber hatte sich eine Tür geöffnet, in der sich jemand im Gegenlicht zeigte. Wir zogen uns zurück und schlossen leise unsere Tür. Bald erklangen draußen Schritte auf dem Pflaster. Jemand klopfte an; dann bewegte sich die Klinke, und zwei Diener kamen herein, jeder mit einem Armvoll Handtüchern, obenauf eine ordentlich gefaltete Tunika.
    »Ich bitte um Verzeihung, dass wir euch haben warten lassen«, sagte einer. »Ihr müsst von der Reise müde sein. Gewiss wollt ihr euch waschen und umkleiden. Ich habe nach warmem Wasser geschickt. Es wird gleich gebracht.«
    Ich schaute ihn verblüfft an. Nach einer höflichen Pause ging er an mir vorbei und legte die Handtücher auf den Waschtisch, während sein Begleiter die Tuniken auseinanderfaltete und aufsBett legte. Sie waren aus feinem weißem Leinen und mit einer grünen Wasserblattbordüre bestickt.
    Als der Mann meinen Blick sah, meinte er bedauernd: »Ich weiß, Herr, und bitte um Verzeihung. Ich konnte so schnell nichts Besseres finden. Wenn du für heute damit vorliebnehmen willst, werde ich bis morgen etwas Passenderes finden.«
    Ich starrte zuerst auf die Tuniken, dann auf den Mann. Er lächelte und räusperte sich höflich. Offenbar hielt er mich für einfältig.
    »Mein Herr Eutherius bittet um Verzeihung, dass er euch noch nicht selbst begrüßen konnte«, fuhr er fort. »Doch er hofft, dass ihr später mit ihm zu Abend esst.«
    Ich blickte ihn nur an, aber Marcellus blieb nicht stumm. »Mit Vergnügen«, sagte er im liebenswürdigsten Tonfall.
    Wie gut, dass er da war. Ich hätte wahrscheinlich kein Wort herausgebracht.
    In meinen zwanzig Lebensjahren hatte ich schon einiges erlebt, aber nichts hatte mich auf Eutherius vorbereitet.
    Wir hatten uns entkleidet und gewaschen und die feinen neuen Sachen angelegt, die man uns gebracht hatte. Später kam der Diener zurück, um uns durch die Zitadelle zu eskortieren, über düstere Gänge, durch Gewölbesäle und Steintreppen hinunter, bis wir in einen Teil der weitläufigen Festung gelangten, die eher wie die Residenz eines reichen Mannes aussah.
    Schließlich wurden wir in einen Raum geführt, den ich für das Privatgemach einer vornehmen Dame hielt. Er war mit Seidenvorhängen in Zinnoberrot und Rosa ausgeschmückt. Silberne Lampen in Form von Schwänen brannten an Ketten, die an einem schmiedeeisernen Ständer aufgehängt waren. An einer Seite standen drei gepolsterte Liegen um einen niedrigen Tisch, darauf Feigen und süßes Gebäck in grünen Glasschalen und kleine gekochte, mit Kräutern garnierte Eier.
    »Bitte sehr«, sagte der Diener und bat uns mit höflicherGeste, Platz zu nehmen. Sein Herr Eutherius werde gleich zu uns kommen.
    Wir setzten uns, und der Diener entfernte sich. So warteten wir allein und unbewacht, betrachteten den Vorhangschmuck und die Glasschalen und blickten uns erstaunt an.
    Nach einer Weile waren draußen Stimmen zu hören. Die Flügeltür wurde geöffnet, und ein großer Mann mittleren Alters eilte zu uns herein.
    »Verzeiht!«, rief er und breitete in einer bittenden Geste seine dicken, fleischigen Hände aus. »Ihr müsst mich für unhöflich halten, weil ich euch so lange habe warten lassen.«
    Er war bekleidet mit einer knöchellangen Tunika in Purpurrot und Taubenblau mit bestickten Säumen und einem Gürtel aus gewebtem Gold. Ein süßer Apfelduft haftete ihm an. »Nein, nein, behaltet bitte Platz!«, rief er, als wir uns erheben wollten, und ließ sich auf der Liege gegenüber nieder. »Ich musste mich unerwartet um ein Amtsgeschäft kümmern. Der neue Präfekt ist soeben eingetroffen, viel früher als erwartet.«
    Der Mann sprach ein präzises Latein, allerdings mit einem Hauch griechischer Sprachmelodik. Er strich sich die Kleider glatt und schob seinen gewaltigen Leib auf der Liege zurecht. »Ihr hattet eine beschwerliche Reise, nehme ich an; deshalb soll euer Wohlempfinden durch nichts mehr gestört werden.« Lächelnd drehte er sich zu einem dunkelhäutigen, erlesen gekleideten Knaben um, der mit ihm hereingekommen war und sich im Hintergrund gehalten hatte. »Wir
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