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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Paul Waters
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werden nun unseren Wein trinken, Agatho. Und wenn unsere Gäste nichts dagegen haben, kannst du dem Koch Bescheid geben, dass wir jetzt so weit sind.«
    Während Marcellus und ich auf den Diener gewartet hatten, waren wir überein gekommen, in dieser Nacht die Flucht zu versuchen. Die unverriegelte Tür hielten wir für eine dumme Nachlässigkeit, oder man hatte uns im Durcheinander unseres Eintreffens schlicht mit jemandem verwechselt. Was auch derGrund sein mochte – wir wollten uns aus dem Staub machen, bevor der Irrtum entdeckt wurde.
    Doch dieser Eutherius schien uns erwartet zu haben. Und nachdem der Wein eingeschenkt und von dem hübschen Knaben herumgereicht wurde, wandte Eutherius mir seine klugen dunklen Augen zu und sagte: »Wie ich höre, junger Mann, hattest du einen Zusammenstoß mit unserem Freund, dem Notar.«
    Ich schluckte. Der Wein war süß und schwer; ein Wein, wie mein Onkel ihn für seine reichen Kunden aus den Rheingegenden importieren ließ, doch nun kam er mir plötzlich bitter vor. Wie töricht, dass ich mir Hoffnungen gemacht hatte. Ich hätte mir denken müssen, dass der Notar nicht mit einem raschen Tod zufrieden war. Er würde mir das Messer im Leib umdrehen wollen; schließlich hatte er das langsame, qualvolle Sterben anderer zu seiner Lebensaufgabe gemacht. Die Folter war seine Kunst.
    Ich stellte meinen vergoldeten Pokal ab. »Dann weißt du es also …«, begann ich bedächtig, als unvermittelt die Türen aufflogen und eine Gruppe livrierter Diener mit Platten voller Speisen hereinkam, die sie zuerst Eutherius zur Begutachtung und dann vor uns hinstellten: Pilze in Honig, Hühnchenragout, Meeräsche mit Mandeln und roten Beeren, glasiertes Schwein am Spieß und andere Delikatessen in kleinen abgedeckten Töpfen.
    »Ausgezeichnet! Wundervoll!«, rief Eutherius beim Anblick der silbernen Platten überschwänglich aus. Doch Marcellus räusperte sich. Allmählich war ihm die Anspannung anzusehen. »Verzeih, Eutherius, sind wir nicht als Gefangene hier? Du aber behandelst uns wie Ehrengäste.«
    »Das seid ihr auch«, antwortete er.
    Marcellus blickte ihm abwartend ins Gesicht. Nach den Strapazen der Reise war er mit seiner Geduld am Ende. Unser Gastgeber schien dies zu bemerken. Seufzend stellte er den Teller, den er sich genommen hatte, wieder ab und sagte: »Ich sehe schon, ich werde wohl einiges erklären müssen, wenn ich unser Bankett nicht verderben möchte. Aber bitte, esst doch, während ich rede.«
    Der Notar Paulus, erfuhren wir, war nicht der Einzige, der von Spionen Gebrauch zu machen verstand. Es sei eine traurige Erkenntnis, dass auch Spione und deren Auftraggeber bespitzelt würden – einschließlich des Notars. »So ist es nun mal. Spitzel werden bespitzelt und Bewacher überwacht.« Und nach dem Desaster, das Paulus in Britannien angerichtet hatte – und das, konstatierte Eutherius nickend, Marcellus und ich am eigenen Leib erfahren mussten –, habe Constantius befunden, dass Paulus seine Befehle in verbrecherischer Weise überschritten habe, worauf er ihn an den Hof zitiert hatte. »Der Kaiser«, fügte Eutherius mit nüchternem Blick hinzu, »hat klugerweise versichert, dass er für die Fehler seiner Untergebenen keine Verantwortung trägt.«
    Er aß einen süßen Pilz; dann fuhr er fort: »Zufällig hielt ich mich gerade am Hof in Mailand auf, als Paulus eintraf. Er kam per Schiff mit allem Pomp und Gefolge und großtuerischer Dienerschaft – so gar nicht, was der göttliche Constantius sehen wollte, nachdem er die Nachricht von einer weiteren Rebellion erhalten hatte. Wirklich, es war ein höchst unüberlegter Zug vonseiten des Notars.« Er kräuselte die Lippen und betrachtete uns mit großen Unschuldsaugen. »Was euch betrifft, so ist uns bekannt, dass ihr verhaftet wurdet, doch wo, wussten wir in all der Verwirrung nicht. Dann brachten meine … äh, Kontaktmänner in Reims eine Nachricht. Ihr werdet bemerkt haben, dass eure scheußliche Reise danach ein wenig angenehmer wurde. Nun hört doch auf, so zu starren, und esst etwas. Ihr seid mager wie streunende Hunde.«
    Wir taten wie geheißen, und als sich meine Aufgewühltheit legte, merkte ich erst, wie hungrig ich war.
    Während wir aßen, redete Eutherius weiter. »Ganz unteruns, auch ich bin schon gelegentlich mit unserem geschätzten Notar aneinandergeraten. Er ist …« Er hob einen Finger und zog ein Gesicht, als hätte er Essig geschluckt. »Nun, vielleicht sollte ich nicht allzu offen über einen
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