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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Paul Waters
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Mann von solchem Ruf sprechen. Sagen wir einfach, der Notar kann … streitlustig sein.«
    Marcellus, der abwesend, beinahe mechanisch aß, beobachtete Eutherius aufmerksam wie ein Windhund. Agatho trat heran und füllte meinen Pokal nach. Ich trank ihn zügig aus.
    »Wie immer man die Sache betrachtet«, fuhr Eutherius fort, »der Kaiser wurde schlecht beraten. Britannien befindet sich im Aufruhr, und Barbaren durchstreifen Gallien nach Lust und Laune. Darum hat er seinen jungen Vetter Julian zum Cäsar ernannt, und darum bin ich hier.« Er steckte sich eine Beere in den Mund und neigte den Kopf Marcellus zu. »Um auf deine Frage zurückzukommen – ihr seid keine Gefangenen. Ihr könnt die Zitadelle nach Belieben verlassen, sogar während dieses Mahls. Den Unglücklichen, die bei euch waren, wurde bereits die Heimreise angeboten. Ihr könnt mit ihnen gehen, wenn ihr es wünscht. Doch sobald ihr erkennt, dass alles wahr ist, was ich sage, werdet ihr möglicherweise in Erwägung ziehen, eine Weile zu bleiben. Julian wird diesen Winter hierherkommen. Ich möchte euch ihm gern vorstellen.«

ZWEITES KAPITEL

    Am nächsten Tag verließen wir unser Zimmer zu einem Spaziergang durch die Zitadelle. Niemand trat uns in den Weg.
    Wir waren im ältesten Teil des Gebäudes untergebracht, wo man auf die nackten Quadermauern sah. Woanders gab es neue Anbauten im römischen Stil: hübsch getäfelte Räume mit Mosaikböden, Fresken und Pilastern, die um lauschige Gärten mit Pflaumenbäumen und Buchsbaumhecken angeordnet waren.
    Wir schlenderten den Weg zurück und schlugen eine andere Richtung ein, die uns zu einem langen, hohen Saal mit gedrungenen Säulen und schweren, verblassten Wandteppichen führte. Es musste ein herrschaftlicher Raum sein, denn es gab ein Podest mit einem Stuhl mit hoher Lehne am Ende. Das trübe graue Licht des Winters fiel durch hohe, schmale Fenster, und in einer schmiedeeisernen Kohlenpfanne brannte knisternd ein Feuer.
    Am anderen Ende befand sich eine gewaltige Flügeltür mit einer kleineren Tür darin. Wir gingen hindurch und gelangten auf einen Balkon, von dem eine Treppe hinunter auf einen gepflasterten Hof führte. An drei Seiten erhoben sich die nackten Mauern der Zitadelle; an der vierten stand ein Steintor, daneben war ein Wächter in kaiserlicher Uniform postiert.
    Marcellus blickte stirnrunzelnd vom Balkon hinunter. »Dann lass uns einmal feststellen, ob wir wirklich frei sind.«
    Wir gingen hinunter, überquerten den Hof und schlendertenauf das Tor zu. Die Blicke des Wächters folgten uns. Er nickte Marcellus zu und ließ uns ohne ein Wort passieren.
    Wir gingen weiter und wagten kaum, uns umzudrehen. Doch bei einem Blick über die Schulter sah ich, dass uns niemand folgte.
    Ich atmete erleichtert aus, ohne dass mir bewusst gewesen wäre, den Atem angehalten zu haben. Nach wochenlanger Gefangenschaft, schlaflosen Nächten auf stinkendem Stroh und Tagen voll zermürbender Furcht vor einem plötzlichen, gewaltsamen Tod schienen wir tatsächlich frei zu sein, wie unser fremder Gastgeber es versprochen hatte. Beinahe schämte ich mich, an seinen Worten gezweifelt zu haben. Marcellus jedoch sagte: »Wir mussten uns vergewissern, Drusus. Reden und Tun stimmen oft nicht überein.«
    Wir konnten uns ungehindert bewegen. Die Insel mit der Zitadelle ist der älteste Teil von Paris, um den sich die Stadt nach Süden hin ausbreitet. Rings um die Mauern der Zitadelle gab es enge Straßen und schattige, mit Eisengittern versperrte Höfe, und am Flussufer auf der Ostseite der Insel stand etwas erhöht ein alter Tempel. Auf den stießen wir an jenem ersten Tag. Als wir uns näherten, schaute ich zum Giebel hinauf. Dort stand in Bronzelettern, wem er geweiht war: IOVI OPTIMO MAXIMO .
    »Der Tempel des Jupiter«, sagte Marcellus, der ebenfalls auf den von Grünspan überzogenen Schriftzug blickte.
    Wir stiegen die Marmortreppe hinauf und schlenderten an den mit Akanthuslaub verzierten Säulen entlang, blieben am Rand stehen und schauten auf das rasch dahinfließende Wasser.
    »Was hältst du davon?«, fragte Marcellus und kehrte damit zu der Frage zurück, die wir den ganzen Morgen erörtert hatten: Sollten wir bleiben oder abreisen?
    Ich beobachtete ein Paar Teichhühner, die übers Wasser flitzten, untertauchten, wie Korken zurück an die Oberfläche hüpften und sich schüttelten.
    »Da ist immer noch der Notar«, gab ich zu bedenken.
    Jedes Mal gelangten wir an diesen Punkt.
    Marcellus nickte. »Ja. Und
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