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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Paul Waters
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zwischen den Möbeln Leute standen, schweigende Gestalten, die sich undeutlich aus dem Dunkel abhoben – Leibdiener, niedere Beamte, ein Bischof mit einem schweren, juwelenbesetzten Kreuz, Offiziere in ihrer besten Uniform, schwarz gekleidete Notare und mitten unter ihnen eine junge Frau mit großen Augen und blassem Gesicht in einem schimmernden grünen Kleid mit Goldlitze, der zwei Dienerinnen zur Seite standen.
    Kurz begegneten sich unsere Blicke. Ihre kleine weiße Hand ruhte auf dem vorgewölbten Bauch; sie erwartete ein Kind. Sie wandte die Augen ab, als ob mein Blick sie beleidigte, und schaute vor sich auf die gepolsterte Liege.
    Und da endlich sah ich ihn.
    Er lag zwischen dicken Tagesdecken aus roter changierender Seide. Sein Kopf ruhte auf einem hohen, bestickten Polsterkissen. Sein Gesicht war blass, rundlich und glatt rasiert; die schwarzen Locken klebten ihm an der Stirn.
    Zuerst glaubte ich, er schliefe. Doch dann regte er sich hustend und drehte sich, sodass er mich anschauen konnte. Halb erschrocken, halb ehrfürchtig erwiderte ich seinen Blick. Hier lag der Mann, der sich gern als Herrn der Welt bezeichnete. Auf dem Krankenbett sah er aus wie ein grämliches Kind, umgeben von Purpur und Gold.
    Er keuchte und begann wieder zu husten. Ein Arzt trat von hinten heran, wurde jedoch mit kraftloser Geste weggescheucht. Als ich den Kaiser so sah, verstand ich das erregte Geflüster der zusammengescharten Höflinge: Es war offensichtlich, dass dies keine vorübergehende Krankheit war. Die riesige Regierungsmaschine stand still und wartete auf diesen einen Mann.
    Er richtete sich auf.
    »Es scheint«, sagte er mit heiserer Stimme, »dass wir mit unserer Familie kein Glück haben. Unser Vetter Julian hat uns viel Sorge bereitet. Haben wir wirklich eine so schlechte Menschenkenntnis?«
    Seine Augen waren verschattet und erschöpft, und während er sprach, sah er mich nicht an. Sein Blick war auf eine Stelle über meinem Kopf gerichtet, als spräche er zu einer fernen Zuhörerschar. Das war verwirrend, aber vermutlich seine Gewohnheit.
    »Nein, durchaus nicht«, antwortete ich. »Julian hast du richtig beurteilt. Du hättest auf ihn und nicht auf seine Feinde hören sollen, die dich umringen. Sie sind es, nicht Julian, die dir so viel Ärger beschert haben.«
    Bei meinen Worten erhob sich ringsumher Gemurmel. Constantius machte eine ungeduldige Geste und hob die Stimme. »Julian ist anmaßend. Er hat ein paar unbedeutende Siege über schlecht bewaffnete Barbaren errungen und hält sich nun für unbesiegbar. Wir haben ihn aus der Verbannung geholt; wir haben ihm ein hohes Amt gewährt; wir haben ihn mit Gunst und Ehre überhäuft, doch er wendet sich gegen uns …«
    Er bekam einen Hustenanfall. Die Arzt näherte sich wieder, wurde aber erneut davongescheucht.
    »Uns wurde berichtet«, fuhr der Kaiser fort, »dass er den Bart des Philosophen trägt wie ein heidnischer Grieche. Hält er sich gar für einen Gelehrten? Und neuerdings heißt es, dass er sich erdreistet, die alten Götter öffentlich anzubeten, gegen unseren ausdrücklichen Befehl und gegen das göttliche Gesetz.«
    Daraufhin fauchte der Bischof aus dem Dunkeln: »Abtrünniger! Sein Name wird auf ewig verflucht sein.«
    »Ja, ja«, murmelte der Kaiser mit ermatteter Stimme. Sein Zorn kam nicht von Herzen; er klang gekünstelt. Nun seufzte er, wischte das Thema mit einer schroffen Handbewegung beiseite und blieb ein paar Augenblicke still. Man hörte nur seinen pfeifenden Atem.
    Mit träger, gedämpfter Stimme, als ob ihn seine ganze Umgebung langweilte, sagte er dann: »Es heißt, du seist sein Freund.«
    »Das ist wahr.«
    »Stehst du auch jetzt noch zu ihm?«
    »Ja«, sagte ich.
    Daraufhin sah er mich zum ersten Mal an und musterte überrascht mein Gesicht. Er wirkte wie eine Matrone, die überlegt, ob sie beleidigt sein soll oder nicht. Aber ihm war noch etwas anderes anzumerken: eine gewisse Wehmut oder Neid, als hätte ich ihm ein früheres, besseres Ich ins Gedächtnis gerufen, das seit langer Zeit verschüttet war.
    Nach kurzem Zögern sagte er: »Wir haben versucht, milde und gerecht zu herrschen, doch wir werden verachtet. Warum wendest du dich gegen uns?«
    Er schwieg und wartete auf Antwort. Also sagte ich: »Ich war noch nicht geboren, als du die Herrschaft ergriffen hast. Aber als ich ein Knabe war, wurde mein Vater verhaftet und zu Unrecht hingerichtet; und als ich ein Jüngling war, hast du deinen Notar geschickt, damit er uns foltert
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