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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Paul Waters
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Wir befanden uns am Rand des Dorfes; ringsumher lagerte das kaiserliche Heer.
    »Wohin jetzt?«, fragte Decimus, den es drängte, von dort wegzukommen.
    »Hier entlang«, sagte Marcellus.
    Wir liefen durch eine Gasse zwischen hohen Lagerhäusern. Am Ende mündete sie auf einen kleinen gepflasterten Platz mit einem Brunnen. Dort stand auch ein alter Tempel. Auf den Stufen saßen Männer an die Säulen gelehnt, dösten oder wärmten sich an einem Feuerkorb.
    Einige von ihnen drehten müßig den Kopf, als wir aus der Gasse kamen. Sowie ich sie erkannte, wich ich zurück und verbarg mich hinter einem Mauervorsprung.
    Marcellus und die anderen trugen schlichte Uniformen, ich dagegen meine Reittunika, in der ich entführt worden war. Mit den Bronzebeschlägen und roten Lederstreifen daran stach ich heraus wie ein Fasan unter Hennen. Sie würden mich sogleich bemerken.
    »Meine Bewacher sind bei den Männern«, flüsterte ich. »Sie werden mich erkennen.«
    Rasch stellte Decimus sich vor die Mauerecke, um ihnen die Sicht zu versperren. Dann hob er seine Tunika an und urinierte an die Mauer. Die anderen standen herum, als warteten sie auf ihn.
    »Schauen sie noch herüber?«, fragte er.
    »Nein«, sagte Marcellus, »aber wir lassen es lieber nicht darauf ankommen.« Er deutete mit dem Kopf auf eine schmaleGasse zwischen den Lagerhäusern. »Nehmen wir stattdessen die da.«
    Betont beiläufig schlenderten wir zurück in die Gasse und gingen unter einem Torbogen durch. Dann endete das Dorf, und das Lager begann.
    »Gütige Götter! Wo sind wir hier?«, murmelte Marcellus und blickte zornig die Zeltstraße entlang, wo sich ein bunter Pavillon an den anderen reihte, jeder mit einem breiten Zeltvordach, das sich auf bunte, gedrechselte Holzsäulen stützte. Während wir uns umsahen, kam ein elegant gekleideter Sklave aus einem Pavillon hervor, mit einem ziselierten silbernen Wasserkrug, den er mit beiden Händen trug. Er sah uns, blieb stehen und wollte uns schon ansprechen, doch der Krug war sichtlich schwer, und so besann er sich anders und ging weiter.
    »Das sind keine gewöhnlichen Diener«, sagte ich und musterte ihn von hinten. Mir dämmerte, wo wir hingeraten waren. »Constantius muss hier irgendwo sein. Wir sollten verschwinden.«
    Wir schlüpften durch eine Lücke zwischen den Pavillons. Als wir auf die nächste Zeltgasse traten, liefen wir einem Trupp Soldaten in die Arme, die aus der entgegengesetzten Richtung kamen, angeführt von einem Offizier in Paradeuniform. Decimus, der gerade zur Seite blickte, trat dem Offizier auf den roten, sorgsam polierten Stiefel.
    »Pass doch auf, wo du hintrittst, du Hornochse!«, rief der Offizier und versetzte ihm eine Kopfnuss. »Was tut ihr überhaupt hier? Ihr wisst doch, dass hier der Zutritt verboten ist.«
    »Verzeihung«, sagte Marcellus und trat vor, »wir sind falsch abgebogen.«
    Der Offizier blickte ihn ungehalten an. Dann fiel sein Blick auf meine Kleidung.
    »Wer ist der Mann?«
    »Ein Gefangener. Wir haben Befehl, ihn zu verlegen.«
    »Tatsächlich?«
    »Jawohl.«
    »Warum ist er dann nicht gefesselt?«, fragte der Offizier und machte schmale Augen. »Wie heißt du, Soldat? Zu welcher Legion gehörst du?«
    Marcellus nannte irgendeinen Namen. »Wir sind bei der Sechsten, bei den Parthern.«
    Er trug die Uniform eines gemeinen Soldaten und bemühte sich, entsprechend zu reden. Doch die holprige, ungebildete Redeweise passte nicht zu ihm. Seine Erziehung war ihm deutlich anzumerken, und der vornehm gekleidete Offizier war kein Dummkopf. Außerdem war er bereits misstrauisch geworden.
    Er neigte den Kopf zur Seite und blickte Marcellus schräg an. »Bei den Parthern, hm?«
    »Ja.«
    »Du siehst mir nicht wie ein Parther aus. Sag mir, wo du zuletzt stationiert warst.«
    »Wir waren in Antiochia«, antwortete Marcellus und blickte ihm ins Gesicht.
    »Da waren wir alle, bevor wir hierherkamen. Wo warst du vorher?«
    Marcellus kratzte sich am Kopf, als wäre das Denken eine Anstrengung für ihn. »Ach ja, Verzeihung, davor waren wir natürlich in Syrien. Draußen in der Wüste, dicht an der Grenze. Es war heiß und sandig. Der viele Sand war nichts für mich.«
    Der Offizier hörte schon gar nicht mehr hin, sondern wandte sich an Decimus. »Und du? Warst du auch da?«
    »Ja, sicher.«
    »Und wie gefielen dir die syrischen Mädchen?«, fragte der Offizier und schmunzelte hinterhältig.
    Decimus schaute verständnislos, denn der Offizier war ins Griechische gewechselt, und
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