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Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Wen die Götter lieben: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Paul Waters
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geschmacklos herausgeputzte Eunuch strahlte Macht und höchste Autorität aus. Paulus rang sichtlich um Beherrschung; dann antwortete er freundlich, aber mit einer Miene, als hätte er Zahnschmerzen: »Nein, edler Eusebius, nimm sie mit. Ganz wie du befiehlst.«
    Ich betrachtete den Eunuchen und musste an Julians Worte denken. Das also war der Kerl, der den Kaiser gedrängt hatte, Julian hinzurichten, anstatt ihn nach Gallien zu schicken. Und er hätte seinen Willen bekommen, hätte die Kaiserin sich nicht für Julian verwendet. Mir fiel auch der Witz ein, den Eutherius in Paris erzählt hatte, wonach Constantius einen gewissen Einfluss auf seinen Oberkämmerer besäße. Und nun sah ich, dass selbst der Notar, der anderen Todesangst einjagte, in Gegenwart dieses Mannes unsicher, ja unterwürfig wurde.
    »Ja, ganz wie ich befehle«, sagte der Oberkämmerer mit eisigem Lächeln. »So ist es.«
    Der Notar sagte nichts mehr. Er beobachtete zornig, wie wir auf ein bloßes Fingerschnippen weggeführt wurden.
    Man brachte uns zu einem großen Kuppelbau jenseits der Pavillons, der an einem kiesbestreuten Platz stand. Dort wurde ich von den anderen getrennt. Drei Gardisten lenkten mich mitblankem Schwert in einen kahlen Raum, wo der ockerfarbene Putz abblätterte und in dem nur eine einzelne Holzbank stand.
    »Ausziehen!«, befahl der Gardist.
    Ich blickte ihn an. »Ausziehen?«, wiederholte ich argwöhnisch und dachte daran, was Rufus erlebt hatte.
    »Ja, ausziehen. Na los!«
    Ich legte meine Kleider ab und sagte dabei: »Bist du so tief gesunken? Vergiss nicht, dass du ein Römer bist, und ein Mann. Selbst hier ist ein Gott, der dich sieht.«
    Als er begriff, erwiderte er: »Sei nicht albern. Du stinkst. Jetzt runter mit dem Zeug! So kann man dich nicht vor den Kaiser führen.«
    Ich stockte, und wahrscheinlich starrte ich ihn offenen Mundes an. »Zum Kaiser?«
    »Zum Kaiser«, wiederholte er. »Und jetzt beeil dich.«
    Ich zog mich aus. Als ich nackt war, brachten die drei mich in einen angrenzenden Raum mit kaltem Steinboden, hohen, unverglasten Fenstern und einem Brunnen. Sie behielten mich im Auge, als ich mich unter dem Wasserhahn wusch. Anschließend, als ich mich abgetrocknet und saubere Sachen angezogen hatte, führten sie mich nach draußen, wo Marcellus unter Bewachung wartete.
    »Sie bringen uns zu Constantius.«
    »Ich weiß«, sagte er.
    »Hat der Oberkämmerer das angeordnet?«, fragte ich einen Gardisten. Doch der antwortete nur: »Schluss mit der Fragerei. Das werdet ihr gleich selbst sehen.«
    Kurz darauf erschien ein reich gekleideter Diener, und wir wurden zu einem nahe gelegenen Haus mit Marmorsäulen und Vordach gebracht.
    Es sah aus wie das Domizil eines Provinzkaufmanns, was es zweifellos gewesen war, bevor der Hof es für sich beschlagnahmt hatte. Lange rote Banner mit den Symbolen des Kaiserswaren zwischen die Säulen gehängt, und das Atrium war hastig mit kostbaren Teppichen und Zierrat ausgestattet worden, die alle zu groß und prachtvoll für dieses Haus waren.
    In einer Ecke neben einem schweren, vergoldeten Lampenständer stand eine Schar wohlbeleibter Eunuchen, die sich flüsternd unterhielten. Sie blickten sich neugierig um, als wir hereinkamen, und verstummten, um uns mit ernster Miene zu mustern.
    »Da stimmt etwas nicht«, raunte ich Marcellus zu.
    Er drehte den Kopf und sah zu ihnen hinüber, wie sie mit ihren Goldohrringen und bestickten Gewändern dastanden. Ob dieser Dreistigkeit wandten sie sich abrupt ab und setzten ihr Gespräch fort.
    »Jedenfalls sind sie nicht unseretwegen hier«, stellte er fest.
    Darauf wollte ich fragen, wozu man uns dann hierhergebracht hatte, doch dazu kam es nicht mehr.
    Wir wurden in die Obhut von zwei diskret bewaffneten Dienern gegeben, die mit kurzen förmlichen Mänteln aus blauem Damast bekleidet waren. Sie prüften unsere Fesseln und brachten uns in ein Vorzimmer mit persischen Teppichen und einem goldenen Käfig mit einem Distelfinken. Dort warteten wir in Gesellschaft der bewaffneten Diener. Nach kurzer Zeit näherten sich draußen Schritte. Eine Tür ging auf, und der Oberkämmerer kam herein, begleitet von einem Tross Beamter, die hinter ihm herschwärmten wie schüchterne Brautjungfern hinter einer korpulenten Braut.
    Der Oberkämmerer blieb stehen und gab vor, den Singvogel auf seinem silbernen Zweig zu betrachten. Er trug dieselbe aufgeblasene Miene zur Schau wie zuvor. Von Nahem sah ich, dass seine Wangen rot geschminkt waren, und seine
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