Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne

Titel: Weltraumpartisanen 24: Astronautensonne
Autoren: Mark Brandis
Vom Netzwerk:
Schulter hatte etwas abbekommen. Während ich um mein Leben rannte, hatte ich den Schlag kaum wahrgenommen. Nun, untersuchen würde ich die Schulter später. Vorerst hatte ich Wichtigeres zu tun.
    „Alles klar, Lieutenant?“
    „Der letzte Check steht noch aus.“
    Den letzten Check vor dem Start vorzunehmen war Sache des Commanders.
    „Und die VORs?“
    „Das Letzte, was wir von ihnen gehört haben, ist eine vage Position. Hotel India Tango. Wir werden den halben Himmel umkrempeln müssen, Sir.“
    Und auch den ganzen, dachte ich, wenn es so sein müßte. Das wenigstens war ein Lichtblick in freudloser Zeit: Für die Schiffe der UGzRR gab es keine Grenzen und keine verfeindeten Machtblöcke. Die UGzRR war autonom. Sie leistete Hilfe, wann und wo immer diese verlangt wurde: für einen havarierten Musikdampfer der EAAU ebenso wie für einen schäbigen Raumfrachter der Vereinigten Orientalischen Republiken. Oder umgekehrt.
    Die Besatzung des Raumrettungskreuzers Henri Dunant war ein Spiegel des Geistes, der in der UGzRR herrschte. Captess Yodogimi Kato, meine verantwortliche Pilotin und rechte Hand, stammte aus Hiroshima in Japan. Wer sie nicht näher kannte, ließ sich durch ihr Porzellangesicht leicht täuschen. Dahinter steckten Kaltblütigkeit und eine gehörige Portion fliegerischer Erfahrung. Captess Kato sprach ein nahezu akzentfreies Metro. Nur manchmal vergriff sie sich in der Wortwahl. Ich nickte ihr zu und rief die Stationen auf.
    „Bitte um die Klarschiffmeldungen. Kartenhaus!“
    Im Lautsprecher meldete sich die ruhige Baßstimme des Navigators:
    „Klar zum Abheben, Sir.
    „TÜ!“
    Auch der Technische Überwachungsstand - im Bordjargon: Maschinenraum - meldete sich auf Anhieb. Lieutenant William Xuma, schwarzhäutig, einer der besten Ingenieure, mit denen ich je geflogen war, hatte das Triebwerk bereits vorgewärmt.
    „Klar zum Abheben, Sir.“
    „RC!“
    Der rothaarige Radar-Controller trug nicht nur einen waschechten irischen Namen - O’Brien -, er sprach auch mit unverfälschtem Dialekt:
    „Klar zum Abheben, Sir.“
    „FK!“
    Israel Levys Stimme erklang: kühl und sachlich. Sprechdisziplin war im interplanetarischen Funkverkehr unerläßlich.
    „Klar zum Abheben, Sir.“
    Ich wandte den Kopf nach rechts. Captess Kato zog das Handruder an sich heran. Sie kam meiner Frage zuvor.
    „Klar zum Abheben, Sir.“
    Die Henri Dunant war klar zum Abheben, doch der Tower zögerte die endgültige Freigabe hinaus. Die Polizei war noch damit beschäftigt, den Luftraum über den Rampen zu säubern.
    Nach sechs qualvollen Minuten fiel das erlösende: „Henri Dunant - Venus-Tower. Hauen Sie ab. Und Mast- und Schotbruch!“ Während die Henri Dunant langsam abhob, übersah man noch einmal das Panorama der Schlacht.
    Captess Kato schüttelte den Kopf und bemerkte: „Vor ein paar Tagen noch hatten diese Weltwacht-Leute meine Sympathie. Aber jetzt sage ich: Wie die sich benehmen, ist eine Entehrung des Pavians.“
    Ich fuhr herum und starrte sie an. „Ist was?“
    „Ist eine Entehrung des Pavians!“ wiederholte Captess Kato. „Oder sagt man nicht so?“
    Lieutenant Stroganow rettete die Situation. Er hatte in seinem Kartenhaus über die Bordsprechanlage mitgehört. Aufgewachsen in einem europäisch-asiatischen Grenzgebiet, stand er mit Captess Katos Bemühungen, unserem trockenen Metro einen Schimmer von orientalischer Blumigkeit zu verleihen, auf vertrautem Fuß. Aus dem Lautsprecher dröhnte seine Stimme:
    „Captess Kato meint einfach: Was da passiert, ist eine Affenschande. Und ich möchte hinzufügen, Sir: Sie hat recht.“

2.
    Als die Henri Dunant drei Tage später in die Umlaufbahn um den Mond einschwenkte, war der Krawall auf der Venus verblassende Erinnerung. Hinter uns lag ein anstrengender Einsatz: gekrönt vom schönsten aller Erfolge. Die vier VORs waren gesund und munter. Buchstäblich in letzter Minute waren sie von uns aufgepickt worden. Inzwischen befanden sie sich auf dem Weg in die Heimat. Der Kommandant einer VOR-Dschunke, die zufällig unseren Kurs kreuzte, hatte sich bereiterklärt, sie an Bord zu nehmen.
    Erfolge wie dieser waren für uns das Salz des Lebens. Der harte Dienst, manchmal voller Gefahren, meist nur voller Stumpfsinn, der uns eine Fülle von Entbehrungen abverlangte, bekam wieder Sinn. An solchen Tagen erfüllte es uns mit Stolz, den gleichgültigen Sternen, unter denen die unsichtbaren Schiffahrtstraßen verlaufen, das Wahrzeichen unserer Gesellschaft
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher