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Weltraumpartisanen 06: Die Vollstrecker

Weltraumpartisanen 06: Die Vollstrecker

Titel: Weltraumpartisanen 06: Die Vollstrecker
Autoren: Mark Brandis
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wenigen Minuten das VOR-Schiff aufsetzen würde, wurde der feuerfeste rote Teppich entrollt, wie es das feierliche Zeremoniell vorsah.
    Der Lautsprecher auf dem Tower wurde lebendig.
    »Achtung, Achtung! Soeben erhalten wir eine erste Grußbotschaft des VOR-Außenministers. Sie lautet: >Mögen die Drachen schweigen, die Herzen reden! Ich komme von weit und bin euch nah.<« Der Lautsprecher verstummte und meldete sich gleich darauf wieder zu Wort. »Es handelt sich bei dieser Botschaft um ein chinesisches Gedicht, das Mr. Chang Chi-tung soeben uns zu Ehren verfasst hat.«
    Ein Wort nur, das aus dem Äther kam, und doch genug, um steifes Zeremoniell vollends umschlagen zu lassen in die freudige Ausgelassenheit eines Volksfestes. Ich sah, dass Wladimir Nekrassow rasch einige Worte ins Mikrofon sprach, und sofort begann der Lautsprecher wieder zu dröhnen.
    »Im Auftrage unseres Verteidigungsministers übermitteln wir folgende Antwort: >Die Völker Europas, Amerikas und Afrikas entbieten Ihnen, Exzellenz, die Hand zum brüderlichen Will-kommen!<«
    Neben mir schüttelte Captain van Kerk den Kopf.
    »Grußbotschaften, Gedichte! Fehlt nur, dass sie dazu die Laute schlagen. Ich dachte, das wird eine Abrüstungskonferenz, und jetzt ist es der reinste Sängerwettstreit.« Captain van Kerk blieb sich treu - oder aber er unterließ nichts, um in mir diesen Eindruck zu erwecken. Ich unterdrückte ein Lächeln. Längst hatte ich ihn, allen seinen Fehlern zum Trotz, schätzen gelernt: als kaltblütigen Piloten ebenso wie als zuverlässigen Kameraden. Mochte er also ruhig den Unbelehrbaren spielen!
    Meine Aufmerksamkeit konzentrierte sich wieder auf jenen Stern, der längst keiner mehr war, sondern in der Gestalt eines silbern glänzenden Raumschiffes der
Tiger
-Klasse über der Plattform schwebte: unbeweglich, geräuschlos, atemberaubend.
    Zum ersten Mal sah ich eines dieser geheimnisvollen Protonenschiffe der VOR aus nächster Nähe. Es war etwas größer als die
Hermes,
aber gleichwohl von bestechender Eleganz. Und wenn die mir vorliegenden Informationen zutrafen, dann war es unserer
Epsilon
-Klasse, zu der auch die
Hermes
zählte, nahezu ebenbürtig. Wahrhaftig, die Asiaten waren auf dem besten Wege, uns auf dem Gebiet der zivilen und militärischen Raumfahrt einzuholen, ja vielleicht sogar zu überholen. Seitlich am Rumpf leuchtete das Emblem der Vereinigten Orientalischen Republiken: auf gelbem Grund zwei flammend rote, gekrümmte Mongolenschwerter.
    Ich entsinne mich meiner Gedanken, als hätte ich sie notiert: In wenigen Augenblicken, dachte ich, würde ein Umbruch in der Geschichte der Menschheit stattfinden, würde geschehen, was noch eine Generation zuvor undenkbar, unvorstellbar erschienen war: ein Händedruck, der den allgemeinen weltweiten Frieden einleitete. Es gab kein Beispiel dafür. Nie, seitdem die Welt bestand, war sie der allgemeinen Versöhnung aller Völker und Staaten näher gewesen.
    Selbst Captain van Kerk spürte die Größe dieses einmaligen Augenblickes. Er schien etwas sagen zu wollen, aber dann
    räusperte er sich nur.
    Der Tiger setzte auf und einen Atemzug lang vibrierte das stählerne Deck, dann wurde an Bord die Maschine abgeschaltet und unser Tambourmajor schwang den Taktstock. Die Kapelle intonierte die VOR-Hymne. Die Ehrenkompanie nahm Haltung an und präsentierte das Gewehr. Major Bogdanow, der sie kommandierte, erstarrte zur Salzsäule, die Hand an die Mütze gelegt, als wäre sie dort angewachsen. Dieses Zeremoniell der Soldaten war als ein politisches Schauspiel beibehalten worden, obwohl niemand mehr Gewehre benützte und die Musik sonst von elektronischen Orchestern hergestellt wurde.
    Und überall auf der Erde und den Planeten, auf dem Mond und in den einsamsten Raumstationen saßen zu dieser Stunde die Menschen vor ihren Bildschirmen und warteten gleich uns, den unmittelbaren Zeugen, auf das Auffahren der Schleuse und das Erscheinen des asiatischen Delegationsleiters.
    »Stimmt was nicht, Sir?«, wisperte dicht neben mir Captain van Kerks Stimme.
    »Was sollte nicht stimmen, Captain?«
    »Keine Ahnung, Sir. Ich meine nur, das dauert zu lange. Aber vielleicht schreibt der Außenminister gerade ein neues Gedicht.«
    »Captain!«
    »Entschuldigung, Sir. Sie wissen, wie’s gemeint war.«
    Ich wies Captain van Kerk zurecht und spürte doch, dass seine Nervosität nicht unbegründet war. Die Nationalhymne der VOR verklang, die Musiker ließen die Instrumente sinken und der Tambourmajor warf
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