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WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)

WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)

Titel: WELTENTOR 2013 - Fantasy (German Edition)
Autoren: Unknown
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das sich bestimmt nicht so bald wieder-holen würde.
    Doch es war anders gekommen. Die Frau im Café, das hübsche Mäd -chen aus der Straßenbahn, die elegante Dame vom Theaterfoyer – in dieser einen Woche hatte Stefan fast mehr aufregende Nächte erlebt als in seinem ganzen bisherigen Leben. Aber leider war es immer nur bei dieser einen Nacht geblieben. Die Gründe waren unterschiedlich, das Ergebnis aber immer dasselbe. Doch Stefan beschwerte sich nicht. Durch die Erfolge war sein Selbstbewusstsein enorm gewachsen, und hatte er zu Beginn den fremden Einfluss deutlich gespürt, der ihm eingab, was er sagen und tun sollte, so war dieser zusehends schwächer geworden.
    Dennoch spürte Stefan, dass etwas in seinem Geist war – und dass dieses Etwas mit dem Anhänger zu tun hatte.
    Seit seinem Besuch in dem kleinen Antiquitätenladen hatte er das Schmuckstück nicht mehr abgenommen, weder auf der Arbeit, noch beim Duschen und schon gar nicht während seiner amourösen Abe nteuer. Und es war auch keine Einbildung gewesen, dass der Anhänger im, nun, entscheidenden Moment jedes Mal fast glühte.
    Stefan lag in seinem Bett, allein, erschöpft – und war froh um jede Minute Schlaf, die er bekommen konnte. Er träumte, doch anders als sonst, eigenartig, intensiv: Wälder, endlose Wälder, ein Eber, der dahin-stürmte, ein Umhang aus Falkenfedern, fliegende Pferde, darauf Frauen in schimmernden Rüstungen. Alles nur kurze Bilder, Fetzen ohne Zu-sammenhang.
    Stefan wusste, dass er träumte. Und er wusste gleichzeitig, dass es nicht sein Traum war. Schweißgebadet erwachte er, und ein unangenehmer Gedanke, eine unangenehme Frage manifestierte sich in seinem Kopf: Was, wenn an dem Anhänger überhaupt nichts Seltsames war? Was, wenn da niemand war, der ihm bei seinen Rendezvous zur Seite stand? Was, wenn er einfach nur wahnsinnig wurde?
    Eine Schlaftablette betäubte seine Gedanken, brachte wenigstens seinem Körper Erholung. Doch bereits als er sie bitter auf der Zunge schmeckte, war Stefan klar, dass dies nur eine sehr kurzfristige Lösung sein konnte.
    Sie kam aus der Buchhaltung, hatte ihm nur irgendwelche Akten ge -bracht. Fast automatisch begann Stefan Bendler mit ihr zu flirten. Er sah, wie sie leicht errötete, sah ihr Lächeln, sah, dass er erfolgreich sein würde. Doch er wollte nicht erfolgreich sein! Er wollte heute einfach nur seine Ruhe. Und dennoch reihte er Kompliment an Kompliment. Nein! Es war sein Verstand, sein Geist, sein Körper. Und er entschied, was er tat! Stefan spürte den Widerstand in sich, spürte, wie dieser stärker wurde, ihn dazu bringen wollte, mit dieser Frau ein ruhiges Plätzchen zu suchen. Aber diesmal wehrte er sich – und riss sich trotz der starken Schmerzen in seinem Schädel den Anhänger vom Hals.
    Stefan sah die Verwirrung und Enttäuschung auf dem Gesicht der Buchhalterin, als er sie unter einem fadenscheinigen Vorwand wieder fortschickte, doch es war ihm egal. Er kannte sie schließlich kaum.
    Schweiß bedeckte seine Stirn, aber die Schmerzen waren verschwun-den. Da war nichts mehr, nur seine eigenen Gedanken. Das Letzte, was er gespürt hatte, war abgrundtiefe Verzweiflung gewesen – eine Ver-zweiflung, die nicht die seine war.
    Sollte er den Anhänger wegwerfen?
    Stefan spielte kurz mit dem Gedanken, doch entschied sich dagegen. Er legte die aus Horn geschnitzte Katze in eine Schublade seines Schreibtisches. Kam Zeit, kam Rat.
    Drei Tage vergingen – nichts geschah. Sitzungen, Termine, Verträge. Keine Träume, keine Abenteuer. Gestern hatte er, nur als Test, noch einmal versucht, mit der Buchhalterin anzubändeln, die er so abrupt weggeschickt hatte. Nun ja, seine Reinigung würde die Flecken schon wieder herausbekommen, die von dem Kaffee stammten, den sie über seinen Anzug gegossen hatte.
    Stefans Leben war wieder wie immer: trostlos, langweilig, ohne Ziel, ohne Hoffnung.
    Achtzehn Uhr war lange vorüber, die meisten seiner Kollegen längst zuhause. Er öffnete die Schublade und fand den Anhänger genau dort, wo er ihn hingelegt hatte. Langsam streckte er die Hand danach aus, fuhr sachte über das Relief der Katze. Und da war etwas, schwach, aber spürbar. Entschlossen legte er sich den Anhänger wieder um. Was hatte er schon zu verlieren? Den Verstand?
    Erneut spürte er ebenjene Verzweiflung, die ihn schon vor drei Tagen überflutet hatte. Do ch da waren auch Hoffnung, Angst und Begehren.
    Zwei Stunden später ging Stefan erschöpft aber zufrieden nach Hause.
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