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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten
Autoren: Dan Wells
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Sie dehnte das Wort ein paar Sekunden lang. Dann zögerte sie und sprach schließlich weiter. »Ich habe gehört, dass ihr zwei nicht mehr miteinander ausgeht.«
    »Nein«, bestätigte ich ein wenig überrascht. Wollte sie tatsächlich darauf hinaus? »Wir haben seit zwei Monaten nichts mehr zusammen unternommen.«
    »Ach, hätte ich das nur früher gewusst!«, sagte sie. »Wenn du nämlich mit niemandem sonst ausgehst, könnten wir vielleicht mal was machen.«
    »Ich …« War das einfach nur eine Feststellung oder eine Einladung? Wollte sie ein Date mit mir, oder sollte ich sie jetzt fragen? Ich hatte keine Ahnung. »Ja, das wäre sicher nett«, murmelte ich nach einer Pause schließlich.
    »Super«, antwortete sie. »Diese Woche bin ich mächtig eingespannt, aber wie wäre es mit heute in einer Woche? Am Montagnachmittag?«
    Ich malte mir kurz aus, wie Marci wohl aussah, wenn sie mächtig eingespannt war, und schob den Gedanken sofort wieder weg. So etwas durfte ich nicht denken. »Ja, das müsste … ich glaube …«
    »Super«, sagte sie noch einmal. »Wir könnten zum See fahren. Du hast doch ein Fahrrad, oder?«
    »Ja.«
    »Schön. Holst du mich bei mir zu Hause ab? Ich wohne in der Nähe der Abzweigung, und wir könnten von da aus zusammen weiterfahren.«
    »Klar«, willigte ich ein.
    »Um drei?«
    »Klar.«
    »Klasse«, sagte sie. »Ich bin froh, dass ich endlich angerufen habe.«
    »Ich … ja, ich auch.«
    »Also, wir sehen uns dann. Mach’s gut.«
    »Bis dann.«
    Sie legte auf, und ich stellte das Telefon weg. Mom stand in der Tür und beobachtete mich. Sie drängte mich immer wieder, öfter unter Leute zu gehen, und zugleich schien sie Angst davor zu haben, was ich dabei anstellen könnte.
    »Hast du jetzt etwa ein Date?«
    »Sieht so aus.«
    Sie starrte mich noch einen Moment lang an, dann nickte sie und kehrte ins Bad zurück. »Sei vorsichtig!«, rief sie herüber. »Und achte bloß darauf, dass du alle deine Regeln einhältst.«
    Mit gerunzelter Stirn schob ich mir einen Löffel Müsli in den Mund. Warum wollte sich Marci mit mir verabreden? Es war kein besonders günstiger Zeitpunkt, denn ich musste einen Dämon fangen und konnte keine Komplikationen gebrauchen. Andererseits war es irgendwie auch witzig. Mittlerweile gab es schon zwei Menschen in der Stadt, die mich töten wollten – den Handlanger und Max, sobald er erführe, dass ich ein Date mit Marci hatte. Ich musste lachen. Es klang dünn und hohl.
    Die Jagd konnte beginnen.
     

DREI
     
    Bei der Aufklärung eines Mords halten die Behörden viele Einzelheiten geheim, um die Ermittlungen nicht zu gefährden. So war es auch im Fall von Pastor Olsen. Wir wussten, dass er tot war und wie die Leiche ausgesehen hatte, doch die übrigen Details gab die Polizei nicht bekannt. Niemand außer den Ermittlern durfte den Tatort betreten, und niemand außer den Gerichtsmedizinern bekam die Leiche zu Gesicht – abgesehen von den Bestattern. Fünf Tage nach dem Mord – ich hatte wohl hundertmal die Nachrichten analysiert, mir gingen allmählich die Ideen aus, und ich brauchte dringend neue Informationen – lieferte mir das FBI die Leiche frei Haus.
    Ich habe den schönsten Job der Welt.
    Zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Margaret betreibt meine Mom eine Leichenhalle, und ich helfe bei den Beerdigungen und verschiedenen anderen Arbeiten seit ich sieben bin. Bevor er uns verließ, brachte mir mein Dad das Handwerkszeug bei, das man zum Einbalsamieren braucht, und seitdem ist dies meine heimliche Leidenschaft. Meine Schwester kümmert sich manchmal im Büro um den Papierkram und betreut das Telefon. Die Toten sind ihr unheimlich – jedenfalls behauptet sie das. Das kann ich nicht verstehen. Tote sind ruhig und still, hundertprozentig verschwiegen und total harmlos. Eine Leiche bewegt sich nicht, lacht nicht und urteilt nicht. Eine Leiche schreit niemanden an, schlägt niemanden und verlässt niemanden. Ganz im Gegensatz zu dem Mist über Zombies, den man im Fernsehen sieht, ist eine Leiche im Grunde der beste Freund, den man sich nur wünschen kann. Das ideale Haustier. Mit Leichen fühle ich mich wohler als in Gegenwart lebender Menschen.
    Eskortiert von zwei Polizisten, brachte Ron, der Gerichtsmediziner des County, den Leichnam des Pastors mit seinem großen Lieferwagen zu uns. Ich blieb oben und spähte durchs Fenster, als sie die Türen des Lieferwagens öffneten und die abgedeckte Bahre herauszogen, die Räder aus den Arretierungen
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