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Wells, ich will dich nicht töten

Wells, ich will dich nicht töten

Titel: Wells, ich will dich nicht töten
Autoren: Dan Wells
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gegen die andere Wand schleuderte. Mir tat die Hand weh, einige Tropfen Blut hatten sich auf der Haut verteilt. Ich verrieb die Tropfen mit dem Zeigefinger und schmierte sie dann mit der flachen Hand über die Tapete, bis ein blutiger Streifen entstand.
    Feuer. Das war die einzige Lösung.
     

VIERUNDZANZIG
     
    Das Telefon klingelte zweimal, ehe ich abnahm.
    »Guten Morgen, John.«
    »Hallo … Brooke.« Es fiel mir schwer, den Namen auszusprechen. Ich legte den Löffel weg.
    »Was läuft denn so?« Es klang so fröhlich, als wäre überhaupt nichts passiert.
    »Ich weiß noch nicht«, antwortete ich. »Fühlst du dich heute wieder besser?«
    »Es geht. Noch ein paar Stunden, dann können wir etwas Schönes unternehmen.«
    »Gut.« Im Geist überflog ich ein letztes Mal meinen Plan. »Ich dachte, wir könnten vielleicht zum See fahren und angeln. Brooke ist immer gern angeln gegangen.«
    »Ich weiß«, antwortete sie kalt. »Ich bin Brooke.«
    »Du bist Brooke, schon gut. Also, wie findest du das?«
    »Super«, antwortete sie. »Willst du gleich nach der Schule hin?«
    »Das wäre toll.« Ich hielt inne und gab mir Mühe, so unbefangen wie möglich zu klingen. »O Mist, ich habe ganz vergessen, ein paar Sachen für Mom abzuholen. Sie meint, es schneit bald, und ich muss für sie Benzin für die Schneefräse besorgen. Außerdem braucht sie Salz für die Gehwege und so weiter. Es wird sicher nicht lange dauern, aber …«
    »O nein«, sagte Brooke. »Ich möchte heute so gern etwas unternehmen!«
    »Also …« Ich ließ sie etwas zappeln. »Ich könnte gleich von der Tankstelle aus zum See kommen. Du fährst mit dem Rad voraus und suchst eine schöne Stelle.«
    »Eine schöne Stelle, ja?«
    »Genau. Ein lauschiges Plätzchen.«
    Sie tat schockiert. »John Cleaver, was hast du an einem lauschigen Plätzchen am See mit mir vor?« Ich bemühte mich, den Tonfall zu deuten, aber eigentlich war es ziemlich klar: Sie wollte sich unbedingt mit mir treffen und hatte ein romantisches Stelldichein im Sinn.
    »Wir treffen uns dort«, sagte ich. Und du wirst ganz bestimmt nicht misstrauisch, wenn ich mit ein paar Kanistern Benzin auftauche, fügte ich in Gedanken hinzu.
    »Klasse«, sagte sie. »Ich liebe dich, John.«
    »Bis dann.« Ich hatte kaum aufgelegt, da kam Mom in die Küche.
    »Wer war das?«
    »Brooke.« Es wäre sowieso sinnlos gewesen, es ihr zu verheimlichen. Sie konnte jederzeit die Anruferliste durchsehen.
    »Unternimmst du etwas mit Brooke?«
    »Ja.«
    »Ist das etwa ein Date?« Sie war misstrauischer als sonst. Ahnte sie etwas?
    »Ich glaube schon, irgendwie.« Mom mochte Brooke, also hätte ihr die Verabredung eigentlich keine Kopfschmerzen bereiten sollen.
    »Äh«, machte sie, ging an mir vorbei und holte sich die Müslischachtel. »Mir ist ja klar, dass du nicht so gefühlsbetont bist wie die meisten anderen Menschen, aber trotzdem … gestern ist deine Freundin gestorben. Ist es nicht ein bisschen früh?«
    Verdammt. »Deshalb ist es auch kein richtiges Date«, antwortete ich. »Wir wollen nur … mal in Ruhe darüber reden, um damit klarzukommen. Du weißt schon.«
    »Ja sicher.« Sie nickte, und ich sah ihr an, dass sie nicht überzeugt war. »Ich verstehe schon, was du meinst.«
    »Was ist denn mit dir?«, fragte ich sofort, um möglichst schnell das Thema zu wechseln. »Hast du heute auch was vor?«
    »Ja, ich will mit Lauren einkaufen gehen.« Sie schüttete Müsli in die Schale und öffnete den Kühlschrank, um die Milch herauszuholen. Ich entspannte mich und hörte kaum noch hin. »Neulich nach dem Kino und dem …« Sie wedelte mit einer Hand. »Und nachdem wir auf der Polizeiwache waren, haben wir uns ganz gut unterhalten. Sie kauft nicht gern Lebensmittel ein, weil sie nicht weiß, wo es die günstigsten Angebote gibt. Jetzt gehen wir zusammen und sehen mal, was uns so anlacht.«
    »Schön«, sagte ich halb abwesend. »Dann bis später.«
    »Aber nicht zu spät«, ermahnte sie mich.
    »Alles klar.« Ich stand auf. »Es dauert sowieso nicht lange.« Ich schnappte mir die Jacke und den Rucksack und ging zur Tür.
    »Mach’s gut, John, ich wünsche dir einen schönen Tag.«
    Ich winkte wortlos.
    »Ich hab dich lieb, John.«
    »Ja.« Ich ging hinaus. Das sagten die Menschen ziemlich oft.
     
    Im Halbschlaf saß ich den Unterricht ab, eine endlose Reihe von mitleidigen Lehrern und traurigen Schülern. »Das mit Marci tut uns unendlich leid.« – »Sie war ein wunderbares Mädchen, wir
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