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Weizenwampe

Weizenwampe

Titel: Weizenwampe
Autoren: William Davis
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auf den gezielten Gebrauch von Werkzeugen wie Sicheln und Mörsern zum Ernten und Mahlen des Getreides hin. Auch Vorratsgruben zum Lagern der Ernte wurden gefunden. In Tell Aswad, Jericho, Nahal Hemar, Navali Cori und an anderen Orten haben Archäologen Überreste von geerntetem Weizen entdeckt. Der Weizen wurde von Hand gemahlen und dann als Brei verzehrt. Das moderne Konzept eines mit Hefe- oder Sauerteig erzeugten Brots wurde erst viele Tausend Jahre später erfunden.
    Die Natufier ernteten wildes Einkorn und lagerten möglicherweise einen Teil der Samen, um sie im Folgejahr an bestimmten Orten wieder auszusäen. Dadurch stieg Einkorn zu einem wichtigen Bestandteil ihrer Ernährung auf, der die Notwendigkeit zum Jagen und Sammeln zurückgehen ließ. Der Übergang von der Ernte des Wildgrases zu dessen Kultivierung war eine fundamentale Veränderung, die das nachfolgende Wanderverhalten wie auch die Entwicklung von Werkzeug, Sprache und Kultur beeinflusste. Er markiert den Beginn der Landwirtschaft, einer Lebensweise, bei der man längere Zeit am selben Ort sesshaft bleibt, und die damit einen entscheidenden Wendepunkt der menschlichen Zivilisation darstellt. Der Anbau von Getreide und anderen Nahrungsmitteln erbrachte Nahrungsüberschüsse, und diese wiederum ermöglichten eine Spezialisierung nach Berufsgruppen, neue Regierungsformen und all die komplizierten Bestandteile einer Kultur (wohingegen das Fehlen der Landwirtschaft die kulturelle Entwicklung praktisch auf Steinzeitniveau zementiert).
    Im Laufe der 10.000 Jahre, in denen der Weizen in den Höhlen, Hütten und Palästen einen wichtigen Platz auf dem Tisch einnahm, wurde aus dem anfänglichen Einkorn und Emmer allmählich der kultivierte Brotweizen (Triticum aestivum) , der sich nur nach und nach und in kleinen Schritten veränderte. Der Weizen des 17. Jahrhunderts war der Weizen des 18. Jahrhunderts, und auch die Änderungen des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren eher geringfügig. Bei einer Fahrt auf dem Ochsenkarren hätte man in jedem dieser Jahrhunderte Felder mit hohen, goldenen Weizenähren im Wind rauschen hören. Natürlich züchteten die Menschen ihr Getreide von Jahr zu Jahr und standortangepasst weiter. Manche Versuche waren erfolgreich, die meisten jedoch nicht, und selbst ein guter Beobachter hätte den Weizen zu Beginn des 20. Jahrhunderts kaum von dessen Vorgängern unterscheiden können.
    Das Mehl, aus dem meine Großmutter 1940 ihren Kuchen buk, unterschied sich kaum von dem, das ihre Urgroßmutter 60 Jahre früher oder eine andere Verwandte 200 Jahre zuvor verwendet hatte. Das Mahlen übernahmen mittlerweile Maschinen, die mehr feines Mehl produzierten, doch die Grundzusammensetzung war praktisch dieselbe geblieben.
    Das alles endete in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als neue Zuchtmethoden aufkamen und das Getreide gründlich veränderten. Das, was heute als Weizen daherkommt, ist etwas anderes als früher, nicht aufgrund von Dürrezeiten oder Krankheiten oder einer natürlichen Auslese wie bei Darwin, sondern durch menschliche Eingriffe. Dadurch hat der Weizen sich stärker verändert als Michael Jackson. Er wurde im Labor zerlegt, zerschnippelt und neu zusammengesetzt, bis etwas absolut Einzigartiges dabei herauskam, das im Vergleich zum Ausgangsprodukt kaum noch wiederzuerkennen ist und doch denselben Namen trägt: Weizen.
    Der moderne, kommerzielle Weizenanbau konzentriert sich ganz auf Merkmale wie den erhöhten Ertrag pro Hektar, geringere Produktionskosten und den Anbau in großem Maßstab. Die Frage, ob all diese Merkmale für den Menschen noch gesund sind, stellt sich nicht. Ich gehe davon aus, dass sich der Weizen im Laufe seiner Geschichte grundlegend verändert hat, vielleicht schon vor 5000 Jahren, wahrscheinlich aber erst in den letzten 50 Jahren.
    Und deshalb unterscheiden sich der Laib Brot, der Keks und der Pfannkuchen von heute nicht nur vom Gegenstück von vor 1000 Jahren, sondern auch von dem, was unsere Großmütter herstellten. Es mag genauso aussehen oder sogar genauso schmecken, aber die Biochemie unterscheidet sich. Kleine Veränderungen in der Struktur der Weizenproteine können für eine zerstörerische Immunreaktion auf Weizen verantwortlich sein, die früher so nicht eingetreten ist.
    Weizen vor dem Eingriff der Genetiker
    Weizen kann sich einzigartig an seine Umweltbedingungen anpassen. Deshalb kann man ihn von Jericho, 250 Meter unter dem Meeresspiegel, bis hoch im Himalaya
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