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Weizenwampe

Weizenwampe

Titel: Weizenwampe
Autoren: William Davis
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anbauen. Seine Verbreitung reicht vom 65. nördlichen Breitengrad in Norwegen bis zum 45. südlichen Breitengrad in Argentinien. In den USA nimmt der Weizenanbau über 24 Millionen Hektar Ackerland ein, und weltweit ungefähr die zehnfache Menge – insgesamt die doppelte Fläche von Westeuropa.
    Der erste wilde und später kultivierte Weizen war Einkorn, der Urururahn aller späteren Weizensorten. Das zähe, kälteunempfindliche Einkorn hat mit nur 14 Chromosomen den einfachsten genetischen Code und war schon 3300 Jahre vor Christus in Europa als Getreide beliebt. Bei der Untersuchung des Verdauungstrakts von »Ötzi«, dem in den Tiroler Alpen aus dem Gletscher geborgenen mumifizierten Steinzeitmenschen, fand man teilweise verdaute Reste von Einkorn, der als ungegorenes Fladenbrot verzehrt wurde, aber auch die Überreste von Pflanzen, Hirsch- und Steinbockfleisch. 1
    Kurz nach Beginn der Kultivierung von Einkorn entstand im Nahen Osten aus der Kreuzung mit einem nicht verwandten Wildgras (Aegilops speltoides) der Emmer, in dessen komplexeren 28 Chromosomen die Codes beider Urformen gespeichert sind. 2 Denn Pflanzen wie Weizen haben die Fähigkeit, die Summe der Gene ihrer Vorfahren zu speichern. Das ist dasselbe, als wenn Ihre Eltern bei Ihrer Zeugung nicht ihre Chromosomen gemischt und damit 46 Chromosomen weitergegeben hätten, sondern sowohl die 46 Chromosomen Ihrer Mutter als auch die Ihres Vaters in Ihrem Genpool lägen – also insgesamt 92 Chromosomen. Bei höheren Spezies geschieht so etwas natürlich nicht. Bei Pflanzen spricht man in solchen Fällen von Polyploidie.
    Einkorn und sein Nachfolger, der Emmer, blieben mehrere Tausend Jahre sehr populär und sicherten sich trotz des relativ mageren Ertrags und der – im Vergleich zu heute – eher ungünstigen Backeigenschaften ihren Platz als Grundnahrungsmittel und religiöses Symbol. (Das gröbere, dichtere Mehl von damals hätte lausige Ciabattas oder Löffelbiskuits ergeben.) Emmer ist wahrscheinlich das Getreide, auf das sich Moses bezieht. Er ist das Kussemet , das in der Bibel erwähnt wird, und die Weizensorte, die sich bis zum Beginn des römischen Weltreiches hielt.
    Die Sumerer, denen die Entwicklung der Schrift zugeschrieben wird, haben uns Zehntausende an Tontäfelchen hinterlassen. Viele davon stammen aus der Zeit um 3000 vor Christus und beschreiben mit beredten Zeichen, wie Brot und Kuchen hergestellt wurden, für die Emmer im Mörser oder mit der handbetriebenen Steinmühle zermahlen wurde. Der Sand, der beim Mahlen hinzugefügt wurde, um das mühsame Mahlen zu beschleunigen, hinterließ tiefe Schrammen in den Zähnen der Brot essenden Sumerer.
    Im alten Ägypten schätzte man den Emmer, weil seine Wachstumszyklen sich in das regelmäßige Steigen und Fallen des Nils einfügten. Den Ägyptern wird auch die Entdeckung der Hefegärung zugeschrieben, die den Teig aufgehen ließ. Als die Juden aus Ägypten abzogen, versäumten sie in der Eile, die Gärmischung mitzunehmen und mussten daher ungesäuertes Brot aus Emmer essen.
    Irgendwann im Laufe des Jahrtausends der vorbiblischen Zeit verschmolzen die 28 Chromosomen des Emmer (Triticum turgidum) auf natürliche Weise mit einem anderen Gras (Triticum tauschii) wodurch der erste Weichweizen (Triticum aestivum) mit seinen 42 Chromosomen entstand, der dem, was wir heute Weizen nennen, am nächsten kommt. Diese Form ist genetisch besonders komplex, weil sie die Gesamtsumme der Chromosomen von drei verschiedenen Pflanzenarten in sich trägt. Deshalb ist sie genetisch besonders anpassungsfähig, was künftigen Genforschern in unserem Jahrtausend noch viel Spielraum verschafft.
    Mit der Zeit verdrängte der ertragreichere Weichweizen mit seinen überlegenen Backeigenschaften seine Eltern Einkorn und Emmer, veränderte sich jedoch viele Jahrhunderte lang kaum. Mitte des 18. Jahrhunderts ordnete der große schwedische Naturforscher Carl von Linné – der Begründer der heutigen Nomenklatur in Botanik und Zoologie – fünf Weizensorten in der Gattung Triticum ein.
    In Amerika war Weizen ursprünglich nicht heimisch, sondern wurde erst von Christoph Columbus eingeführt, dessen Mannschaft 1493 die ersten Körner in Puerto Rico aussäte. Spanische Entdecker brachten 1530 versehentlich Weizensamen in einem Sack Reis nach Mexiko und später auch in den amerikanischen Südwesten. Der Entdecker von Martha’s Vineyard, Bartholomew Gosnold, führte Weizen 1602 in New England ein, kurz vor den Pilgrim Fathers,
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