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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel
Autoren: Justin Evans
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Jahrhunderten entstandenen Jargon und verschiedene Spitznamen.
    Shell – Junge in der ersten Stufe (siebte Klasse, übersetzte Andrew).
    Remove – Junge in der zweiten Stufe.
    Eccer – Sport.
    Bluer  – das aus blauem Wollstoff hergestellte Uniformjackett der Jungs.
    Greyers – die aus grauem Wollstoff bestehende Uniformhose der Jungs.
    Beak – Master (Lehrer, übersetzte Andrew).
    Und so ging es weiter. Andrew spürte die Klauen der Klaustrophobie, die sich mit jeder Wiederholung des Wortes Jungs tiefer in sein Fleisch bohrten.
    Eine Jungenschule.
    Er hatte sich in reiner Männergesellschaft schon immer unwohl gefühlt. Die Scherze der Sportskanonen empfand er irgendwie als Sticheleien. Die Unterjochung seines Vaters schürte seinen Hass auf Typen, die andere einschüchterten und schikanierten, und führte zu heftigen Wutausbrüchen, wenn er Zeuge von gelegentlichen Grausamkeiten im Wohnheim wurde. Und es ängstigte ihn, Zeit mit Freunden zu verschwenden. Das erschien ihm ineffizient. Wenn er allein war, konnte er seine Zeit viel besser herumkriegen.
    Mädchen hingegen mochte er. Sie gaben sich auf Partys und bei Schulveranstaltungen mit ihm ab  – falls er sich dazu herabließ, daran teilzunehmen. Er hielt sich im Hintergrund, machte sarkastische Bemerkungen oder stahl sich davon, um zu rauchen oder, noch besser, irgendwo eine Flasche Schnaps zu organisieren und sich mit ein paar wenigen anderen zu besaufen. An den meisten Samstagabenden befreite er sich kurz vor dem Zehn-Uhr-Check-in von einem BH, in dem er sich verheddert hatte, und leckte sich den Southern Comfort und den Punch von den Lippen. Die Boheme-Mädchen – die Tänzerinnen und Hippie-Chicks – hielten ihn für einen der Ihren wegen seiner schwarzen T-Shirts, der rebellischen Fragen und der Zitate von obskuren oder besonders coolen Literaten im Unterricht (Mr. Wheeler, warum können wir nicht etwas von Brautigan lesen? Oder von Bukowski?). Und die höheren Töchter – diejenigen, die dazu neigten, sich mit Drogenkids gemeinzumachen – ließen sich auch hin und wieder auf ihn ein. Die Sommer in Killingworth – das war eine ganz andere Sache. Mädchen mit tollen Frisuren und starken Parfüms fielen auf seine Masche als ausgehungerterInternatsschüler und seine langen glänzend schwarzen Haare herein. Sie tranken ein, zwei Bier mit ihm und ließen mit sich machen, was er wollte.
    Die Vorstellung, auf einem Hügel mit ein paar Hundert Jungs eingesperrt zu sein, machte ihn auf eine Weise nervös, die er nicht ganz verstand. Was passierte, wenn die Mädchen die Sonne und die Wärme hier draußen waren und man selbst in einem kalten, englischen Haus isoliert war? Wahrscheinlich kam man sich vor wie in einer Kühlkammer.
    Andrew bückte sich, packte seine schweren Taschen und hievte sich eine davon über die Schulter. Er rührte sich nicht von der Stelle  – er konnte die Grenze nicht überschreiten, noch nicht. Die dreckigen, lichtlosen Laternen starrten ihn bösartig an. Er hatte das Gefühl, dass er ins neunzehnte Jahrhundert geraten war und sich dort verlieren würde, sobald er einen Fuß in dieses Haus setzte. Du verhältst dich besser richtig, dröhnte die Stimme des Vaters in seinem Ohr. Unauffällig. Keine Rockbands (eine Anspielung auf Andrews Band, die One-Eyed Bandits  – ein wunderbarer Vorwand für all die Wochenendgelage, die Kästen mit billigem Bier und die Jam-Sessions bis zum Morgengrauen). Kein Schultheater (Andrew hatte einen Anschiss bekommen, weil er vor und nach den Proben geraucht hatte – zweimal). Keine Party-Wochenenden (dazu gäbe es jede Menge Geschichten). Schularbeiten und daheimbleiben. Das ist dein Mantra. Du benimmst dich anständig, oder wir sind fertig mit dir. Andrew spürte, dass es sein Vater ernst meinte. Sah den Zorn in seinen Augen. Die Verzweiflung. Wir sind fertig mit dir. Meinte er das wirklich so? Würde er die Verbindung zu ihm abbrechen? Ihn aus dem Haus werfen? Seine Collegeausbildung nichtbezahlen? Andrew hielt sich nicht für verwöhnt, aber die Konsequenzen wären für einen Siebzehnjährigen ganz schön hart. Er kannte Jugendliche in Killingworth, die die Kleinstadt nie verließen, die in Geschäften arbeiteten oder als Handwerker endeten – Anstreicher, Gärtner, die Jungs, die in Lieferwagen herumkurvten und rote Augen von den Joints hatten, die sie herumgehen ließen … Wir sind fertig mit dir. Wollte er die Entschlossenheit seines Vaters auf die Probe stellen?
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