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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel
Autoren: Justin Evans
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fiel, miauten die anderen wie Katzen. Hughs Augenwurden dunkel, und Andrew begriff, dass das Miauen ein Hinweis auf Homosexualität war. Sehr subtil.
    Und so ging es weiter. Andrew hatte das Gefühl, irgendeinen Familienurlaub gestört zu haben  – all die Zänkereien und gehässigen Bemerkungen hätten gut zu einem alten Ehepaar mit Anhang gepasst. Schimpfnamen, peinliche Anekdoten; Allianzen und Animositäten. Andrew erfuhr so dies und das. Ihm wurde schnell bewusst, dass diese Jungs schon als Shells zusammengekommen waren und sich auf einen Neuen stürzten, um ihm ihre Storys zu erzählen.
    »Was ist los mit diesem Gespenst?«, fragte er während einer Gesprächspause.
    Schsch, zischten die anderen.
    »Neulinge«, flüsterte einer. »Heute Abend werden wir einem von ihnen davon erzählen.«
    »Was erzählen?«
    »Wir suchen uns einen aus«, erklärte ein gewisser Rhys, der, wie sich herausstellte, der Haussprecher war; ein kräftiger Junge aus Wales mit strohblondem Haar. »Und machen ihm weis, dass es in seinem Zimmer spukt.«
    » Jemand ist in diesem Zimmer gestorben «, führte einer mit unheimlichem Tonfall aus.
    »Dann kommen wir nachts zu ihm und geben ihm den Rest.«
    »Überschütten ihn mit Wasser.«
    »Schreien.«
    »Erinnert ihr euch an das Jahr, in dem sie Pat aus dem Bett geworfen haben?«
    »Der arme Teufel denkt, es ist das Gespenst, und macht sich in die Hose«, berichtet Rhys. »Er ist vollkommen nass.«
    »Verdammt, das ist lustig.«
    »Es ist eine Lot-Tradition.«
    »Wie hast du an deinem ersten Tag davon erfahren?«, wollte einer der Jungs wissen.
    »Ich glaube, mir ist im Keller ein Schauer über den Rücken gelaufen«, entgegnete Andrew.
    Ratlose Blicke machten die Runde.
    »Matron hat das Gespenst erwähnt«, stellte Andrew klar, um das unangenehme Schweigen zu brechen.
    »Also, warum bist du hier?«, wollte der großgewachsene, muskulöse Sitznachbar von St. John wissen. Er hieß Vaz – kurz für Vasily. Ein Weißrusse. Die Familie war während der Revolution von 1918 aus Russland geflohen. An Vaz war alles riesig : Arme, Beine, Oberkörper, alles war fleischig. ( Er ist unser Hooker für die First Fifteens, flüsterte Theo.) Andrew hatte keine Ahnung, was das bedeutete, vermutete jedoch, dass es eine wichtige Position war; und Fifteens musste, nach einem Blick auf Vaz, etwas mir Rugby zu tun haben. Sein Gesicht war breit, der Schädel erinnerte an einen Fußball, er hatte Schlitzaugen mit Silberblick und mit viel Gel zu Tollen gelegtes hellbraunes Haar. Er sah aus wie eine bedrohliche, mit Steroiden verseuchte Version von Ernie aus der Sesamstraße . Vaz schien selten das Wort zu ergreifen, außer um einen Scherz zu machen, und wenn er das tat, schwiegen die anderen und hörten ihm zu. St. Johns ruckartige Bewegungen schienen ihn zu amüsieren.
    »Frag ihn das nicht«, protestierte Theo. »Das ist seine Sache.«
    »Warum nicht? Es gibt nie Neue in der Abschlussklasse. Es muss einen besonderen Grund geben.«
    »Ja, wieso bist du hier, Yank?«, fragte St. John.
    Alle wurden still. Andrew zögerte.
    »Oh – jetzt sagt er uns gleich wieder, dass wir Scheiße fressen sollen.«
    Allgemeines Gelächter.
    »Mein Vater hielt es für eine gute Idee, wenn ich ein Jahr im Ausland verbringe«, sagte Andrew vorsichtig.
    » Miiiau, Daddy.«
    »Dein Dad? Weshalb?«
    »Wie – weshalb?«, erwiderte Andrew, um Zeit zu gewinnen. »Um meine Noten zu verbessern. Um mich noch mal bei Colleges und Universitäten zu bewerben.«
    »Machst du die A-Levels?«, wollte Vaz wissen.
    Andrew stutzte. »Was sind A-Levels?«
    Ein Tumult brach los. Insbesondere Roddy hielt es kaum auf seinem Stuhl. Du weißt nicht, was A-Levels sind? Bist du geistig zurückgeblieben? Gibt es bei euch in Amerika überhaupt Schulen? Und so weiter. Es erwies sich, dass A-Levels die großen Examina am Ende des Jahres waren. Andrews eklatante Unwissenheit gab der Unterhaltung eine neue Wendung, und Andrew war vom Haken. Aber er ertappte Vaz dabei, wie er ihn interessiert beäugte. Jeder, der über den großen Teich kam, um seine Noten zu verbessern, musste wissen, was die A-Levels waren, das war Vaz klar. Was hatte dieser Amerikaner zu verbergen?
    Eine kurze Hausversammlung folgte. Die Jungs drängten sich auf den Bänken im Gemeinschaftsraum. Andrew betrachtete die gerahmten Fotos an den Wänden: Jungs in Fräcken im Garten. Die neueren Aufnahmen waren in Farbe, die aus den 1960ern in Schwarz-Weiß. Ein Foto war verblasst. Dort, wo die
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