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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille
Autoren: Georges Simenon
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Körper ein Kattunkleid trug.
    Ferdinand lächelte auch, weil die Erinnerung an eines der vielen ›Hast du gehört, Georges?‹ in ihm aufstieg.
    Wo war das nur gewesen? Vermutlich in Khartum während einer ihrer Zwischenlandungen. Wie immer bombardierte ihn Yette Bodet mit Fragen.
    »Fünf Jahre also haben Sie allein im Kongo gelebt, ohne Ihre Verlobte zu betrügen? Haben Sie denn keiner Negerin den Hof gemacht?«
    Er antwortete rundheraus:
    »Wie jedermann habe ich eine Haushälterin.«
    »Was soll das heißen?«
    »Alles.«
    Aus der Art, wie sie sich mit einem Ruck zu ihrem Mann umwandte, hätte er ersehen können, was in ihr vorging.
    »Was denn alles? Schlafen Sie mit ihr?«
    »Zum Donnerwetter nochmal! Mir scheint, es gibt da wohl kaum eine andere Möglichkeit …«
    »Und Ihre Verlobte?«
    »Weiß natürlich Bescheid.«
    »Ist sie nicht eifersüchtig?«
    »Dazu hat sie keinen Grund. Wenn sie kommt, wird meine kleine Haushälterin sich in einem anderen Dorf verheiraten …«
    Da stieß Yette plötzlich hervor:
    »Hast du gehört, Georges?«
    »Ja, ja«, stammelte der Ehemann.
    »Ferdinand ist wenigstens aufrichtig. Und du hast mir geschworen, daß du nie eine Negerin angerührt hast, und ich war so naiv, dir zu glauben.«
    Armer Georges, arme Yette! Jetzt trafen sie wohl gerade in Niangara ein und machten die Bekanntschaft des Administrators Costemans.
    »Was ist mit den Elefanten?« fragte Ferdinand unvermittelt.
    »Es geht ihnen gut. Däumling war ein wenig krank, aber jetzt ist er wieder auf dem Damm …«
    Graux hatte große Lust, Baligi auf der Stelle aufzusuchen, aber es war klüger, noch ein wenig damit zu warten.
    »Machen wir einen kleinen Weg …«, sagte er und nahm seine Peitsche von der Wand.
    Warum war seine Seele ein wenig verhangen, genau wie der Himmel?
    Wenn er sonst aus Europa zurückkehrte, tauchte er mit Leib und Seele in der friedlichen, tropischschwülen Atmosphäre seiner Plantage unter, wie sich Kinder, die Ferien haben, ins Heu werfen.
    Es regnete immer noch, und die Sonne war nicht zu sehen. Dessenungeachtet trug Camille seinen verbeulten Tropenhelm, während Graux sich für einen doppeltgefütterten Filzhut entschied.
    Dem alten Engländer im Flugzeug war die feine Nuance sicherlich nicht entgangen. Graux war der einzige Mann an Bord mit einem unromantischen, prosaischen Filzhut gewesen. Er machte ja weder eine Afrikareise, noch residierte er auf dem Schwarzen Kontinent. Er war hier zu Hause.
    »Was ist mit den Akkus?« fragte er, als sie sich dem Fluß näherten.
    »Eine der Batterien läßt sich nicht mehr richtig aufladen und muß ausgewechselt werden. Ich habe das Dach der Krankenstation flicken lassen …«
    Wenn man den Abhang hinunterschritt, gewahrte man erst, was Graux in Wirklichkeit geleistet hatte. Daneben war der Bungalow überhaupt nichts! Er hatte sich den sechs Meter hohen Wasserfall zunutze gemacht, um ein Elektrizitätswerk zu bauen.
    Gleich dahinter erblickte man eine Ziegelei, dann weitere Gebäude, ein Lagerhaus, die Schmiede, die Schreinerei, das Ökonomat und die Krankenstation. Alles wirkte sauber und ordentlich, und an den Türschlössern hingen Schlüssel mit Nummernschildchen.
    Vom Dorf waren nur die kegelförmigen Dächer zu erkennen, die aus dem Busch aufragten.
    »Sie erweckt nicht den Eindruck, Schmerzen zu haben«, ließ er plötzlich fallen.
    »Das war von Anfang an so. Ich wollte erst nicht an einen schweren Unfall glauben, so ruhig blieb sie die ganze Zeit, sogar als man sie auf einer Bahre ins Haus trug … Sie behauptet, sie sei dagegen abgehärtet …«
    »Wer kocht ihr das Essen?«
    »Captain Philps … Sie will nichts zu sich nehmen, was von einer Negerin berührt wurde …«
    Er hätte nicht sagen können, was in ihm vorging. Hätte man Camille nach der Gemütsverfassung Ferdinands gefragt, hätte er zweifellos geantwortet:
    »Der Chef ist nicht wie sonst. Irgend etwas macht ihm zu schaffen.«
    Er war aber auch nicht wirklich verstimmt. Solche Gemütszustände hatte er mitunter auch in Moulins. Dann pflegte seine Schwester zu sagen:
    »Wo bist du nur mit deinen Gedanken?«
    Seine Mutter setzte dann regelmäßig hinzu:
    »Siehst du denn nicht, daß es ihm bei uns keinen Spaß mehr macht, daß er nur von dort unten träumt?«
    Das stimmte schon, obwohl ihn alle Welt mit offenen Armen aufnahm. Seine Schwester, die mit Doktor Forget verheiratet war, gab immer ein großes Essen, zu dem sie seine alten Freunde einlud.
    »Ist es denn im Kongo sehr
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