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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
Autoren: Holly Black
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nicht von ihm in dieses unheimliche Haus schicken « , sagt Maura.
    » Da haben wir früher gewohnt! « Philip steht auf und holt sich ein Bier aus dem Kühlschrank. » Außerdem schicke ich ihn nicht weg. « Er öffnet die Flasche, nimmt einen großen Schluck und knöpft sein weißes Hemd auf. Ich bemerke sein Halsband aus wulstigen Narben, dort wo ihm sein Boss mit dem Messer über die Kehle gefahren ist, um das Ende von Philips vorherigem Leben zu symbolisieren. Dann hat er die Wunde mit Asche gefüllt, bis sie als lange wulstige Linie vernarbte. Es sieht aus, als kröche ein fleischfarbener Wurm über seinen Hals. Ab einem gewissen Rang haben das alle Fluchwerker, die als Gangster arbeiten. So wie eine Rose über dem Herzen besagte, dass man zur russischen Bratva gehörte oder wie bei den Yakuza, die für jedes Jahr im Gefängnis eine Perle unter die Haut ihres Penis’ stecken. Philip bekam seine Narben vor drei Jahren; jetzt muss er nur den Kragen lockern, wenn er sehen will, wie die Leute zusammenzucken.
    Ich zucke nicht zusammen.
    Die sechs großen Fluchmagierfamilien sind alle in den Dreißigerjahren an der Ostküste an die Macht gekommen und seitdem an der Spitze geblieben. Nonomura. Goldbloom. Volpe. Rice. Brennan. Zacharov. Sie haben alles in ihrer Gewalt, von den billigen und wahrscheinlich gefälschten Amuletten, die in den Tante-Emma-Läden neben den Feuerzeugen hängen, über die Leute, die in den Einkaufspassagen Tarotkarten legen und kleinere Flüche schon für zwanzig Dollar anbieten, bis zu Mord und Totschlag für jene, die es sich leisten können und wissen, wen sie anheuern müssen. Und mein Bruder ist einer dieser Typen, die man dafür bezahlt, genau wie mein Großvater früher.
    Maura wendet den Blick ab und schaut verträumt aus dem Fenster auf den größtenteils verwelkten Rasen vor der Wohnung. » Hört ihr die Musik? Von draußen? «
    » Cassel möchte in das alte Haus ziehen « , sagt Philip mit einem schnellen, drängenden Blick zu mir. » Und da draußen gibt es keine Musik, Maura. Keine Musik, okay? «
    Maura summt vor sich hin, als sie das Geschirr wegräumt.
    » Geht’s dir gut? « , frage ich sie.
    » Bestens « , mischt Philip sich ein. » Sie ist nur müde. Sie wird schnell müde. «
    » Ich mache jetzt meine Hausaufgaben « , kündige ich an, und da mich niemand aufhält, gehe ich hoch auf den Speicher in Philips Büro. Das Sofa ist bezogen und die Bettdecke liegt wie versprochen am Fußende. Ich kann das Waschmittel riechen, so frisch ist die Wäsche. Ich setze mich auf den Bürostuhl, drehe mich schnell zum Schreibtisch und schalte den Computer ein.
    Der Bildschirm erwacht flackernd zum Leben und präsentiert mir ein Hintergrundbild voller Ordner. Ich öffne ein Browserfenster und überprüfe meine E-Mails. Audrey hat mir geschrieben.
    Ich klicke die E-Mail so hastig an, dass sie sich doppelt öffnet.
    » Mache mir Sorgen um dich « , steht da, sonst nichts. Sie hat nicht mal ihren Namen drunter geschrieben.
    Ich habe Audrey gleich im ersten Jahr in Wallingford kennengelernt. In der Mittagspause saß sie immer auf der Betonmauer am Parkplatz, trank Kaffee und las alte Tanith-Lee-Taschenbücher. Irgendwann las sie Beiß nicht in die Sonne. Das hatte ich auch gelesen; Lila hatte es mir geliehen. Ich sagte Audrey, dass Sabella oder der letzte Vampir mir besser gefiel.
    » Weil du ein Romantiker bist « , sagte sie. » Jungs sind soromantisch– jetzt echt. Mädchen sind eher pragmatisch. «
    » Stimmt nicht « , widersprach ich, aber nachdem wir eine Weile zusammen gewesen waren, fragte ich mich insgeheim, ob sie nicht recht hatte.
    Ich brauche zwanzig Minuten für die Antwort: » WE zu Hause. Freu mich auf stundenlanges TV . « Ich hoffe, das bringt das richtige Maß an Lässigkeit rüber; ich habe schließlich lange genug daran herumgemacht.
    Schließlich sende ich die E-Mail ab und stöhne laut auf, weil ich mir mal wieder blöd vorkomme.
    Die restlichen E-Mails, die kein Spam sind, bestehen zumeist aus Links zu dem Video, auf dem ich mich an das Dach des Smythe-Hauses klammere. Jemand hat es bereits aufYouTube gestellt. Außerdem habe ich ein paar Nachrichten von Lehrern mit den Hausaufgaben für die ganze Woche. Daraus schließe ich, dass trotz allem Hoffnung besteht. Ich muss zwar auch noch die Hausaufgaben von gestern fertig machen, aber vorher will ich mir noch überlegen, wie ich die Schule davon überzeugen kann, den Vorfall auf dem Dach zu den Akten zu legen. Über
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