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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
Autoren: Holly Black
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gewesen wäre. Meine Noten sind gut. Mit den anderen komme ich auch klar.
    Ich schaue wieder nach unten. Handykameras blitzen. Die jüngsten Schüler hängen aus den Fenstern des benachbarten Strong House, während die älteren in Schlafanzügen und Nachthemden auf dem Rasen rumstehen, obwohl die Lehrer verzweifelt probieren, sie wieder reinzuscheuchen.
    Ich schenke ihnen mein schönstes Grinsen. » Cheese « , sage ich leise.
    » Kommen Sie runter, Sharpe « , brüllt Dekan Wharton. » Ich warne Sie! «
    » Es geht mir gut, Ms Noyes « , rufe ich. » Ich weiß nicht, wie ich hier raufgekommen bin. Schlafwandelnd wahrscheinlich. «
    Ich hatte von einer weißen Katze geträumt. Sie beugte sich über mich und atmete tief ein, als wollte sie mir die Luft aus den Lungen saugen. Stattdessen biss sie mir die Zunge ab. Es tat nicht weh, aber ich wurde von Panik überschwemmt, ja erstickt. Im Traum war meine Zunge ein zuckendes rotes Ding, so groß wie eine Maus und feucht– die Katze hatte sie im Maul. Ich wollte sie wiederhaben. Ich sprang aus dem Bett, um die Katze zu fangen, aber sie war zu dünn und zu schnell. Ich jagte hinter ihr her. Und schon balancierte ich auf einem Schieferdach.
    In der Ferne heult eine Sirene, sie kommt näher. Meine Wangen tun weh vom Dauergrinsen.
    Schließlich steigt ein Feuerwehrmann eine Leiter hoch und holt mich runter. Sie hüllen mich in eine Decke, aber ich kann ihre Fragen nicht beantworten, so sehr klappern meine Zähne. Als hätte die Katze mir wirklich die Zunge abgebissen.
    Bei meinem letzten Besuch im Büro der Schulleiterin kam ich in Begleitung meines Großvaters, um mich anzumelden. Ich weiß noch, wie er Pfefferminzbonbons aus einer Kristallschale in seine Jackentasche beförderte, während Dekan Wharton erklärte, was für einen anständigen jungen Mann sie aus mir machen würden. Die Kristallschale wanderte in die andere Jackentasche.
    Jetzt sitze ich in demselben grünen Ledersessel, in die Decke gehüllt, und zupfe an dem Verband um meine Hand. Wirklich, ein anständiger junger Mann.
    » Schlafwandeln? « , fragt Dekan Wharton. Mittlerweile trägt er einen braunen Tweedanzug, aber die Haare stehen immer noch zu Berge. Er lehnt an einem Regal mit angestaubten Konversationslexika und streicht mit einem behandschuhten Finger über ihre bröckeligen Einbände.
    Mir fällt auf, dass eine neue, billige Glasschale mit Pfefferminzbonbons auf dem Schreibtisch steht. Mein Kopf tut weh; ich wünschte, die Bonbons wären Aspirintabletten.
    » Ich habe früher mal geschlafwandelt « , erkläre ich. » Aber das ist lange nicht mehr vorgekommen. «
    Nachtwandeln ist gar nicht so außergewöhnlich bei Kindern, vor allem bei Jungen. Das habe ich im Internet herausgefunden, nachdem ich mit dreizehn in unserer Einfahrt aufgewacht war. Meine Lippen waren blau vor Kälte, und ich hatte das unheimliche Gefühl, gerade von irgendwoher zu kommen, woran ich mich nicht erinnern konnte.
    Hinter den Bleiglasfenstern taucht die Morgensonne die Bäume in goldenes Licht. Ms Northcutt, die Rektorin, hat verquollene, rot geränderte Augen. Sie trinkt Kaffee aus einem Becher mit dem Wallingford-Logo, den sie so fest umklammert, dass der Handschuh über ihren Knöcheln spannt.
    » Ich habe gehört, Sie hatten Probleme mit Ihrer Freundin « , sagt Schulleiterin Northcutt.
    » Nein « , widerspreche ich. » Das stimmt nicht. « Audrey hatte nach den Weihnachtsferien mit mir Schluss gemacht, weil sie meine schlechte Laune nicht mehr ertragen konnte. Ich kann schließlich keine Probleme mit einer Freundin haben, mit der ich gar nicht mehr zusammen bin.
    Die Rektorin räuspert sich. » Es gibt Schüler, die behaupten, Sie würden ein Wettbüro betreiben. Sind Sie irgendwie in Schwierigkeiten? Haben Sie Schulden? «
    Ich senke den Blick und unterdrücke ein Lächeln, als sie mein kleines kriminelles Unternehmen erwähnt. Dabei handelt es sich nur um ein paar Fälschungen und ein wenig Buchmacherei. Echten Betrug kann man das nicht nennen. Ich habe noch nicht mal den Vorschlag von meinem Bruder Philip aufgegriffen, die Minderjährigen hier mit Alkohol zu beliefern. Außerdem bin ich mir ziemlich sicher, dass die Schulleiterin sich nicht für die paar Wetten interessiert. Trotzdem bin ich froh, dass sie nicht weiß, wie heiß die Wetten darauf sind, welche Lehrer es miteinander treiben. Northcutt und Wharton, das wäre weit hergeholt, aber das hält die Leute nicht davon ab, gutes Geld darauf zu verwetten. Ich
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