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Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Titel: Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
Autoren: Holly Black
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Google finde ich rasch zwei Schlafspezialisten im Umkreis von einer Stunde Fahrtzeit. Ich drucke die beiden Adressen aus und speichere die beiden Logos als JPG s auf meinem Stick. Das ist immerhin ein Anfang. Ich nehme zwar an, dass kein Arzt der Welt seinen Ruf dafür riskiert, mir zu bescheinigen, dass ich nie wieder nachtwandele, aber das bekomme ich schon irgendwie hin.
    Aus lauter Übermut überlege ich, wie ich Großvaters Räumungsplan vielleicht doch noch umgehen kann. Ich rufe Barron auf dem Handy an. Außer Atem meldet er sich nach dem zweiten Klingeln.
    » Stör ich? « , frage ich.
    » Doch nicht mein Bruder, der beinahe den Abflug gemacht hätte. Also, was war da los? «
    » Ich hatte einen sonderbaren Traum und bin wieder schlafgewandelt. Es war nicht schlimm, aber jetzt bin ich Philip auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, bis die Schule kapiert, dass ich nicht vorhabe, mich umzubringen. « Ich seufze. Als Kinder haben Barron und ich uns nicht sonderlich gut verstanden, aber mittlerweile ist er beinahe der Einzige in unserer Familie, mit dem ich reden kann.
    » Philip geht dir auf den Wecker? « , fragt Barron.
    » Sagen wir mal so: Wenn ich noch lange hierbleibe, bringe ich mich wirklich um. «
    » Hauptsache, dir ist nichts passiert « , sagt Barron, was guttut, auch wenn es gönnerhaft klingt.
    » Kann ich nicht zu dir kommen? « , frage ich. Barron studiert in Princeton und bereitet sich auf die Law School vor. Das ist ziemlich witzig, weil er ein notorischer Lügner ist. Er gehört zu der Sorte Lügner, die vergessen, was sie dir letztes Mal vorgelogen haben, die aber so sehr an die eigenen Lügen glauben, dass sie einen manchmal doch überzeugen. Garantiert würde er bereits nach einer halben Minute vor Gericht irgendwas Irres über seinen Mandanten erfinden.
    » Da muss ich erst mal meine Mitbewohnerin fragen « , antwortet er. » Sie ist mit einem Botschafter zusammen, und der schickt ihr immer einen Wagen, der sie nach New York bringt. Vielleicht wär ihr das zu viel. «
    Ja, genau so einen Unsinn. » Aber wenn sie doch so oft nicht da ist, wäre es ihr vielleicht egal. Ich komme auch auf dem Sofa klar. « Jetzt trage ich dick auf. » Oder an einer Bushaltestelle. «
    » Und warum kannst du nicht bei Philip bleiben? «
    » Er schiebt mich zu Großvater ab, der mit mir das alte Haus entrümpeln will. Er hat es zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber ich habe den Eindruck, dass er mich nicht hierhaben will. «
    » Jetzt rede dir das nicht ein « , sagt Barron. » Philip will dich bestimmt dabehalten. Ganz bestimmt. «
    Gegen Barron hätte Philip sicher nichts einzuwenden.
    Als ich ungefähr sieben war, bin ich dem dreizehnjährigen Philip auf dem Fuß durchs Haus gefolgt und habe so getan, als wären wir Superhelden. Er war der Hauptheld, und ich war sein Assistent, so wie Robin für Batman. Ich tat immer so, als wäre ich in Schwierigkeiten, damit er kam und mich rettete. In unserem alten Sandkasten war es die riesige Sanduhr, die mich erstickte, oder Haie, die mich im Babybecken jagten. Ständig rief ich nach ihm, aber es kam immer nur Barron.
    Mit zehn war er bereits Philips echter Assistent und kümmerte sich um Dinge, für die Philip keine Zeit hatte. Um mich zum Beispiel. In meiner Kindheit war ich fast die ganze Zeit neidisch und eifersüchtig auf Barron. Ich wäre gern wie er gewesen.
    Das war noch bevor ich kapierte, dass ich nie wie er werden würde.
    » Wenigstens für ein paar Tage « , bohre ich weiter.
    » Jaja « , sagt er, aber das ist keine Zusage. Er schindet Zeit. » Jetzt erzähl mir erst mal, was das für ein sonderbarerTraum war. Wieso bist du auf dieses Dach geklettert? «
    Ich schnaube. » Eine Katze hat mir die Zunge gestohlen und ich wollte sie wiederhaben. «
    Er lacht. » Dein Hirn ist ein finsterer Ort. Beim nächsten Mal vergisst du die Zunge besser, Kleiner. «
    Ich hasse es, wenn man mich Kleiner nennt, aber ich will mich nicht mit ihm streiten. Wir verabschieden uns und ich lade mein Handy auf. Dann maile ich meine Hausaufgaben an die Schule. Ich sehe mir die Ordner auf Philips Computer an, bis Maura in der Tür auftaucht. Es gibt jede Menge Bilder von nackten Mädchen, die auf dem Rücken liegen und lange Samthandschuhe ausziehen. Von Mädchen, die nackte Brüste mit schockierend nackten Händen berühren. Ich schließe die offenbar falsch abgelegte Radierung eines Mannes, der eine Pluderhose und einen riesigen Diamant-Anhänger trägt. So skandalös es sein soll,
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