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weißblau queer gestreift

weißblau queer gestreift

Titel: weißblau queer gestreift
Autoren: S Brandl
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auf mich, nur weil ich mit Birgit zusammen bin? … Aber ich sollte nicht schon wieder so viel über Mandy nachdenken. Nicht jetzt, bei der Beerdigung von der Winkelmoserin.
    Ich atme tief durch und setze meine Beobachtungen fort. Neben mir stehen meine Eltern und Hilde. Meine Mutter tupft an ihren Augen herum. Ich glaube, sie weint diesmal wirklich. Mein Vater hingegen wirkt recht grantig. Die Beerdigung scheint ihn zu nerven. Fast schon wütend starrt er auf den Pfarrer. Bestimmt wäre mein Vater jetzt viel lieber daheim, um seine Ruhe zu haben. Hilde wirkt eher neutral und gefasst, sie weiß sich eben zu benehmen. Jockl ist auch da, er steht auf der anderen Seite des Grabes. Er sieht sehr blass und traurig aus. Meine Mutter hat mir erzählt, dass er sich am Tod der Winkelmoserin schuldig fühlt. Weil er der Auslöser des Dramas war. Deshalb hat er den Leichenschmaus organisiert, und deshalb geht der auch auf seine Kosten. Dazu hat er einen großen Blumenkranz fürs Grab spendiert. Er tut mir richtig leid. Ich werde nachher zu ihm gehen und irgendwas Nettes sagen. Vielleicht ist er ja inzwischen nicht mehr ganz so böse auf mich …
    Ah. Sieht so aus, als würde der Pfarrer zum Ende kommen. »… der allmächtige Vater sei mit euch in diesen schweren Zeiten des Schmerzes und der Trauer. Und nun gehet hin in Frieden.« Ja genau, das sagt er immer zum Schluss. Es ist geschafft! Die Leute setzen sich langsam in Bewegung, das Rudel löst sich auf. Ich nähere mich Jockl. Als er mich kommen sieht, bleibt er stehen.
    »Servus Jockl, ich wollt’ nur sagen, dass ich das toll von dir finde, das mit dem Leichenschmaus und dem Blumenkranz.«
    »Mei, ich bin ja auch nicht ganz unschuldig an ihrem Tod.«
    »Ach, geh! Du konntest doch nicht wissen, dass das passiert. Da müsste ich mich noch viel schuldiger fühlen. Auch wegen der Watschn. Und weil ich sie so angebrüllt hab’.«
    »Du hast ihr eine Watschn gegeben?«
    »Mhm.«
    »Oh mei. Du hast schon ein Temperament …«
    »Ich weiß.«
    »Hm. Kommst du mit zum Leichenschmaus?«
    »Nein. Ich bleibe lieber noch ein bisschen hier beim Grab.«
    »Warum?«
    »Weil ich nachdenken will. Und vielleicht tu’ ich ein wenig beten.«
    »Na, wennst meinst. Servus, Adelheid!«
    »Servus.«
    Jockl geht zu seinem silbernen Mercedes. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie von rechts meine Mutter auf mich zukommt. Diesmal habe ich ihr vorher Bescheid gegeben, dass ich nicht zum Essen mitgehe. Sie hat zwar ein bisschen gemeckert, aber ich bin standhaft geblieben. Ob sie mich doch noch zum Leichenschmaus überreden will?
    »Du, Adelheid, ich hätt’ eine Bitte an dich …«
    »Nein, Mama, ich komm nicht mit zum Alten Wirt .«
    »Das mein’ ich doch gar nicht. Magst du heut’ Abend die Kirche zusperren? Ich geh’ nachher noch zur Huberin, um ihr Trost zu spenden. Das hat sie arg mitgenommen mit der Winkelmoserin. Die zwei waren so gute Freundinnen. Sind sogar gemeinsam zur Schule gegangen, damals vor über achtzig Jahr’. Stell dir das einmal vor, Kind, so lange kennen die sich schon! Und noch nicht mal zur Beerdigung hat sie’s geschafft, die Huberin, weil’s ihr derart schlecht geht. Ich weiß nicht, wie lang ich heut’ Abend bei ihr bleib. Die Kirche gehört halt um halb sieben abgesperrt. Das schaffst du doch, bevor du zur Arbeit gehst, oder?« 
    »Ach so. Freilich. Mach’ ich.«
    Meine Mutter überreicht mir den klobigen, uralten Schlüssel. »Dank’ dir schön, Adelheid. Schmeiß mir den Schlüssel dann einfach in den Briefkasten, gell?«
    »Mhm.«
    Meine Mutter verabschiedet sich mit einem »Servus« und geht zum Wagen. Ich versuche den Schlüssel in meine Jackentasche zu stecken, aber er ist zu groß. Also behalte ich ihn in der Hand.
    Nachdenklich blicke ich auf das Grab der Winkelmoserin. Es wird sie also doch jemand vermissen. Und zwar die alte Huberin. Mir ist gar nicht bewusst gewesen, dass sie und die Winkelmoserin richtige Freundinnen waren. Ich habe immer gemeint, die beiden einten nur der Tratsch und ihre Langeweile. Vielleicht denke ich zu schlecht über manche Menschen.
    Ich stelle mich direkt vors Grab und blicke hinab auf die vielen Blumen und das ganze Zeug. Nun habe ich also den Friedhof und die tote Winkelmoserin für mich. Ich falte die Hände … wie ging das nochmal mit dem Beten? Na egal, ich versuch’s einfach auf meine Weise.
     
    Lieber Gott, wenn es dich gibt, dann hör’ mir doch bitte mal kurz zu. Tut mir leid, dass ich mich so lange nicht gemeldet
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