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weißblau queer gestreift

weißblau queer gestreift

Titel: weißblau queer gestreift
Autoren: S Brandl
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sperre die Wohnungstür ab und schmeiße mich aufs Sofa. Mein Schädel dröhnt, mein Magen drückt, ich bin unendlich genervt. So genervt, dass ich schon gar nicht mehr müde bin. Was für ein elender Tratsch! In der Kirche und bei der Beerdigung standen noch alle stumm und fromm nebeneinander, machten traurige Gesichter und falteten die Hände. Kaum im Alten Wirt angekommen, gehen die Lästermäuler auf. Er wäre den ganzen Tag nur vor dem Fernseher rumgehockt, der Alois, und habe dem lieben Gott seine Zeit gestohlen. Und mei, wenn seine herzensgute Schwester nicht gewesen wäre! Sie habe ihn mit Essen und Getränken versorgt, weil er sich um nichts mehr gekümmert habe. Der dicke, faule Alois …
    Das mit meiner Mutter ist übrigens nur die halbe Wahrheit. Ich habe in den letzten acht Jahren für den Alois eingekauft. Meine Mutter hat die Sachen bezahlt, das ist aber auch alles. Sie hat von mir die Kassenzettel verlangt und auf den Cent genau abgerechnet. Ich war es auch, die Alois täglich seine Medikamente und die Insulinspritze gegeben hat. Anfangs fand ich das mit der Spritze echt eklig, aber man gewöhnt ich ja an vieles. Da ich umsonst im Haus meines Onkels wohnen durfte, gehörte das zu meinen Aufgaben. Ist ja auch okay, ich habe den ganzen ersten Stock für mich, das sind fast 70 Quadratmeter. Und ich muss nichts zahlen, nicht mal die Nebenkosten. Könnte ich auch gar nicht. Aber das ist ein anderes Thema. Alois bewohnte das Erdgeschoss, mit Keller und Garten. Aber im Garten war er fast nie. Er hat in den letzten Jahren kaum noch einen Fuß vor die Tür gesetzt. War total depressiv und angepisst vom Leben. Da hat er sich eben totgefressen. Vielleicht war das sein Plan. Gut, dass er vor seinem Tod ins Krankenhaus kam und dort gestorben ist. Ich hätte seine Leiche nicht finden wollen.
    Jetzt, wo Alois tot ist, gehört meiner Mutter das Haus. Das war schon lange vorher klar. Hoffentlich darf ich hier weiterhin umsonst wohnen. Und hoffentlich muss ich dafür keine anderen Pflichten erfüllen, die Pflege meines Onkels fällt ja nun weg. Ich denke, meine Mutter war recht froh, mich für den Alois abstellen zu können. Sie konnte ihn ja nie leiden. Vielleicht hat sie sich noch immer geärgert, dass sie vom Erbe ihrer Eltern kaum etwas bekommen hat. Und der Alois hat das viele Geld leichtsinnig verprasst. Mit Glücksspiel und Alkohol, damals, als er noch unter die Leute gegangen ist. Damit hat er sich auch seinen Ruf verdorben. Er war oft total betrunken und hat sich dann ziemlich danebenbenommen. Im Puff war er wohl auch ein paar Mal. Dann wurde Alois langsam krank und konnte nicht mehr so. Er hat sich immer mehr zurückgezogen und angefangen, sinnlos Essen in sich reinzustopfen. Meine Mutter hat sich sehr für ihren Bruder geschämt. Schon seit ich denken kann, hat sie es vermieden, ihm über den Weg zu laufen. Sie wollte noch nicht mal über ihn sprechen. Fast so als wollte sie verdrängen, dass es den Alois überhaupt gab.
    Ob da noch was Persönliches zwischen ihr und dem Alois lag, weiß ich nicht. Ich bin mir inzwischen aber sicher, dass meine Mutter ihr Weinen auf der Beerdigung nur gespielt hat. Auch beim Leichenschmaus hat sie gewiss nur die trauernde, aufopferungsvolle Schwester markiert. Sie ist für ihre Trauermine und ihr sentimentales Gefasel reichlich mit Mitleid und Anerkennung entlohnt worden.
    Die Huberin und die Winkelmoserin haben währenddessen arg über den Alois gelästert. Und der Wastl Toni und der Maier Sepp sind nach jedem Bier ärger geworden. Sie haben sich über die Spielsucht und die Trinkeskapaden vom Alois lustig gemacht. Dabei saufen sie selbst und lieben das Kartenspiel. Wenigstens hat sich der Schorsch mit seinen dreckigen Witzen gut zurückgehalten. Jedenfalls bis vorhin. Aber wer weiß, was noch kommt. Die hocken schließlich noch beieinander und trinken ein Bier nach dem anderen.
    Ich konnte mich vorhin endlich losreißen, nachdem auch der Nachtisch gegessen war … Das war vielleicht eine Fresserei! Erst Leberknödelsuppe, dann Schweinebraten und dann noch Apfelstrudel, jeweils riesige Portionen. Ich bin kurz vorm Platzen. Und eigentlich wollte ich doch ein wenig auf die Bremse treten, habe in den letzten Jahren ziemlich zugelegt. Leider verteilt sich bei mir das Gewicht nicht proportional, sondern sackt gleich in meinen Arsch. Ich habe eine Birnenform. Wenn das so weitergeht, sehe ich bald aus wie meine Mutter. Viel fehlt nicht mehr.
    Heute trinke ich nur noch Wasser. Und
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