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Weinstrassenmarathon

Weinstrassenmarathon

Titel: Weinstrassenmarathon
Autoren: Markus Guthmann
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die wärmende Kappe nicht mehr hatte. »Dir wird schon wieder richtig warm, dafür verbürgt sich der Weinstraßenmarathon«, beruhigte ihn Hellinger. Die Böen hielten auch in Weisenheim an, sie bremsten geradezu. Erschwerend kam noch das ewige Auf und Ab in der hügeligen Landschaft hinzu. Hellinger erläuterte seine Pinkelstrategie, nachdem er schon zuvor lang und breit seine Trinkstrategie zum Besten gegeben hatte. »Pinkle niemals beim Bergablaufen, da verlierst du nur wertvolle Zeit. Pinkle, wenn du bergauf läufst, da bist du sowieso langsam.« Röder hörte keuchend zu und bewertete im Stillen die neue Laufweisheit seines persönlichen Coachs, der tatsächlich an einer blühenden Weißdornhecke seine Theorie praktisch bewies. Gleich darauf ging es wieder steil bergab, und Röder begann seine Knie zu spüren.
    Â»Ein ganz normaler Knieschnackler. Man muss nicht ins Hochgebirge fahren, um einen zu bekommen, einmal Weinstraßenmarathon reicht. Höhöhö …«
    Röder, der Laufnovize, hörte weg, er freute sich einfach über den wunderschönen Blick, den man von hier aus über Leistadt hatte. Er erinnerte sich an die Ereignisse in jenem Spätsommer, als Hellinger hier noch ein Jagdrevier hatte und unter Mordverdacht geraten war. Er wischte die Gedanken beiseite, Schnee von gestern. Heute keine Erwähnung mehr wert. In Leistadt selbst ging es wieder leicht bergauf, nach den letzten Abstiegen war das fast eine Wohltat, und sie erreichten lockeren Schrittes den Ortsausgang, wo auf dem Verkehrskreisel schmale Sandsteinblöcke kunstvoll zu einer aufgehenden Sonne angeordnet waren. Röder fand, dass die Skulptur hervorragend zur Umgebung mit ihren sonnigen Weinhängen passte. Entlang der Straße, die sich nach Bad Dürkheim hinunterschlängelte, blühten üppig die Mandelbäume und der Weißdorn. Dazwischen leuchteten Hunderte von Osterglocken in frischem Gelb. Es war eine Pracht, das alles anzusehen. Röder vergaß die Anstrengung der letzten Kilometer, er lief wie eine Maschine. Er freute sich über die milden Sonnenstrahlen und den schönen Ausblick.
    Â»Du hast ja noch gar keinen Wein getrunken!«
    Hellinger lächelte. »Das kannst du dir nur auf den letzten Kilometern und vor allem im Ziel leisten. Die Schorle, die du da bekommst, ist die beste, die du jemals getrunken hast, das kann ich dir versprechen.«
    Sie liefen einige hundert Meter entlang der vielbefahrenen Bundesstraße, bevor sie durch die Unterführung den Weg Richtung Innenstadt einschlugen. Hier stand das alte Brunnenhäuschen der Maxquelle, wo der olle Bunsen die Elemente Cäsium und Rubidium erstmals nachgewiesen hatte. Von hier aus waren es auch nur wenige Minuten bis zur neoklassizistischen Villa der Familie Röder. Röder spielte kurz mit dem Gedanken, alles hinzuschmeißen und sich daheim aufs Sofa zu legen. Die Sonntagszeitung in der einen und einen guten Kaffee in der anderen Hand. Er verwarf den zersetzenden Gedanken schnell. Er fühlte sich einfach noch zu fit.
    Auf dem Römerplatz war die Hölle los. Halb Bad Dürkheim war auf den Beinen und jubelte den laufenden Masochisten zu. Vor lauter Staunen über sein sonst so behäbiges Heimatstädtchen hätte er beinahe das für ihn bestimmte Plakat übersehen. »Papa, quäl dich, du Sau!« Seine Mädels standen darunter und lachten sich über seinen Gesichtsausdruck krumm und schief. Röder setzte eine gute Miene auf, nahm sie alle in den Arm und verteilte Küsschen. Hellinger ließ ihn gewähren und verpflegte sich bedächtig am Versorgungsstand. Als sie wieder angelaufen waren, drückte ihm Hellinger eine Banane und einen Becher isotonischen Durstlöscher in die Hand, und Röder verdrückte das alles auf dem Weg durch den Kurgarten. An den Trümmern der Saline, die ein paar Vandalen schon zum zweiten Mal abgefackelt hatten, erreichten sie die Halbmarathonmarke. »Eine Stunde vierundfünfzig, nicht schlecht.« Da waren sich beide einig. Dafür zog sich der Weg nach Ungstein wie Kaugummi, und Röder hatte den ersten richtigen Hänger. Selbst Hellinger war auf einmal still. Ein weiterer knackiger Anstieg nach Kallstadt verstärkte das Stimmungstief noch. Röders Zustand wurde noch schlimmer, als sie auf der Höhe der Römerkelter waren, wo im letzten Jahr eine Leiche in einer Toga mit einem römischen
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