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Weinen in der Dunkelheit

Weinen in der Dunkelheit

Titel: Weinen in der Dunkelheit
Autoren: Unbekannter Autor
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dann fiel mir ein: Vielleicht wird ein Kind davon wach und petzt? Die Strafe vom ersten Mal hatte ich nicht vergessen. Mit Mühe unterdrückte ich die aufkommenden Tränen, dachte an die Brause, die es am Morgen geben würde und auf die ich nicht verzichten wollte.
    In meinem Zimmer lag ein Junge, von dem ich wußte, daß er Bettnässer war. Schnell zog ich mein Laken ab, warf es auf das Bett des Jungen und hockte mich auf den Fußboden, um ihm sein Laken unter dem Körper wegzuziehen. Als ich es hatte, ohne daß er davon erwachte, freute ich mich, denn es fühlte sich noch wann und trocken an. Gerade als ich damit beschäftigt war, das geklaute Laken über meine Matratze zu ziehen, ging das Licht an, und die Nachtwache stand im Raum.
    »Was machst du denn da?«
    »Mein Bett ist so zerwühlt«, antwortete ich, »ich will es ordentlich machen.«
    Bei dieser Lüge wagte ich es nicht, sie anzusehen. Glücklicherweise entdeckte sie das Laken auf dem Jungen, ich hatte es einfach über seinen Körper geworfen. Sie nahm es in die Hände, betrachtete es von allen Seiten und schimpfte dabei:
    »Der hat ja schon wieder eingemacht!«
    Wütend faltete sie das Laken zusammen, legte den schlafenden Jungen darauf, löschte das Licht und verließ den Raum.
    Am nächsten Morgen fragte die Erzieherin:
    »Wer hat in der Nacht eingemacht?«
    Prüfend ging sie von einem Bett zum anderen. Die Kontrolle endete am Bett des Jungen, mein Herz schlug vor Aufregung bis zum Hals. Aber zum Glück war das Laken getrocknet. Ich war sehr erleichtert, denn nun bekamen wir alle Brause und keine Strafe.
    Die Erzieher kamen, wenn es ums Strafen ging, auf die sonderbarsten Ideen. Redeten wir beim Abendessen zu laut, knipsten sie ohne Warnung das Licht aus und zogen die Vorhänge zu, so daß es stockdunkel im Zimmer war. Vor Angst schrien und weinten alle Kinder laut durcheinander. Sobald das Licht ausging, rutschte ich von meinem Stuhl unter den Tisch; hier fühlte ich mich sicher, hatte aber trotzdem wahnsinnige Angst vor dem Murmelmann.
    Das Weinen der Kinder schien bei den Erzieherinnen erst dann Befriedigung zu finden, wenn es in lautes Brüllen überging. Das erreichten sie, indem sie von draußen an die Fensterscheiben klopften und dabei mit verstellter Stimme riefen:
    »Hu, hu, hier ist der Murmelmann, ich komme euch jetzt holen!«
    Wenn wir dann schrien: »Nein, nein, wir sind wieder artig!«, ging das Licht an, und kein Kind wagte auch nur zu schluchzen.
Geburtstag
    Der Tag, an dem ich erfuhr, daß jeder Mensch einen Geburtstag hat war viel aufregender als mein Geburtstag selbst.
    Wir tobten gerade im Schlafraum, da stand die Erzieherin plötzlich vor uns und drohte einem Jungen:
    »Wenn du nicht sofort mit der Toberei aufhörst fällt morgen dein Geburtstag aus!«
    Nun wollten wir alle wissen, was ein Geburtstag ist. Ich mußte darüber lachen, daß es einen Tag gab, an dem sich andere freuten, daß ich geboren war. Bisher hatte ich noch nie so eine Feier erlebt. Vorsichtig fragte ich:
    »Wie lange dauert es noch bis zu meinem Geburtstag?«
    »Du? Du hast in zwei Tagen Geburtstag.«
    »Wie alt werde ich dann?« rief ich erwartungsvoll und sprang dabei vor lauter Übermut und Freude gleich wieder herum. Ihre Ermahnungen waren vergessen.
    »Fünf Jahre«, antwortete sie, und zur Strafe schickte sie mich in den Hof, dort sollte ich mir den Kopf abkühlen.
    Draußen regnete es wie aus Kannen, aber es machte mir nichts aus. Ich tanzte um den Buddelkasten und rief dabei:
    »Hurra, hurra, ich habe einen Geburtstag!«
    Plötzlich hielt ein schwarzes Auto im Hof, ein Mann winkte mir aus dem Wagenfenster zu. Ich lief zu ihm. Obwohl ich vom Regen klitschnaß war, sollte ich einsteigen, was ich ohne zu zögern tat.
    »Was macht so ein kleines Mädchen wie du hier draußen im Regen?« fragte er. Ich erzählte von meiner Strafe und weshalb ich sie bekommen hatte. Im Auto war es angenehm wann und trocken, ich hörte den Regen auf das Dach prasseln und fühlte mich zum ersten Mal geborgen. Der Mann erzählte mir ein Märchen. Am liebsten wäre ich nie mehr ausgestiegen. Doch auf einmal stand die Erzieherin am Auto. Ich mußte zurück ins Haus gehen. Heimlich drehte ich mich an der Haustür noch einmal nach dem Auto um. Ich sah, wie der Mann mit der Erzieherin sprach. Am nächsten Tag, ich spielte gerade mit Bausteinen, betrat der Mann mit vielen fremden Leuten das Spielzimmer. Sofort entdeckte er mich. Lachend nahm er meine Hand und sagte:
    »Wir machen jetzt
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