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Weine nicht, Prinzessin

Weine nicht, Prinzessin

Titel: Weine nicht, Prinzessin
Autoren: Carolin Philipps
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meine Liebe zu ihm zerbrochen.«
    »Und warum bist du nicht weggegangen?«
    »Er hatte ein Video von mir. Was sollte ich machen? Meine Eltern hätten mir das nie verziehen, auch wenn ihnen sonst egal war, was ich tue. Pieter hat gedroht, das Video auch an die Nachbarn zu schicken und Fotos an die Patienten meines Vaters zu verteilen. Mein Vater ist Arzt. Die ganze Familie wäre ruiniert gewesen. Also bin ich mit Pieter nach Amsterdam gegangen. Aber ich liebe ihn nicht mehr, ich verachte ihn. Warte ab, eines Tages wird es dir genauso gehen. Irgendwann wird Henk etwas tun, was auch du nicht mehr verzeihen kannst. Dann wird deine Liebe zu ihm vorbei sein. Manchmal braucht es dafür nur Sekunden. Am Ende bleibt nur noch Verachtung.«
    Lara schüttelt heftig den Kopf. Das kann sie sich nicht vorstellen. Solange immer wieder der zärtliche Henk zum Vorschein kommt, wird sie ihn lieben und vergessen, dass es auch den anderen gibt.
    »Ich benutze Pieter und seine Kontakte«, fährt Sandra fort. »Wenn ich tue, was er will, dann kann ich alles von ihm haben. Und er merkt nicht mal, dass ich hinter seinem Rücken mein eigenes Geschäft aufbaue. Wenn ich genug Geld zusammenhabe, gehe ich.«
    »Er wird dich umbringen!«
    »Pfff! Das sind nur Worte. Dafür ist er viel zu feige. Er ist ein Schläger, aber kein Mörder.«
    Lara bewundert Sandra. Sie hat alle Gefühle in sich getötet, keine Liebe mehr für Pieter, keinen Hass für die Männer. Nur noch Verachtung ist geblieben.
    Würde es Lara leichterfallen, wenn sie verachten könnte? Aber dann müsste sie aufhören, Henk zu lieben.
    Das aber kann sie sich gar nicht vorstellen.
    An den Abenden mit Sandra darf Lara duschen, so lange sie will. Sie duscht und duscht und duscht. Ihre Tränen vermischen sich mit dem heißen Wasser. Hier darf sie weinen, hier ist es nicht verboten, weil es niemand sieht.
    Danach sitzt sie neben Sandra auf das Sofa gekuschelt vor dem Fernseher.
    Ungeahnte Glücksmomente.
    Am liebsten sehen sie sich Liebesfilme an, bei denen am Ende alles gut ausgeht. »So schön kann die Liebe sein!«, seufzt Sandra dann. »Aber das gibt es leider nur im Film.«
    Wie recht sie hat! Es gibt Tage, da wünscht Lara sich, tot zu sein. Da nutzt abends auch kein Pfirsichduschgel. Und wenn sie ein ganzes Meer über ihren Körper schütten würde, sie würde sich immer noch beschmutzt fühlen.
    Es ist an einem dieser Tage – Pieter hat schon zweimal an die Tür geklopft und gedroht, hereinzukommen und das Wasser abzustellen. Ein letztes Mal stellt sie den Wasserhahn auf ganz heiß und lässt den Strahl über ihren Körper laufen. Die Haut ist rot angelaufen und brennt. Mit einem kleinen traurigen Seufzer stellt sie das Wasser ab.
    Von ferne kommen leise Klänge.
    Lara presst ihr Ohr an die Wand.
    Eine Harfe, es ist eine Harfe!
    Lara steht bewegungslos da und lauscht. Es ist das Ende von Bachs Sonate für Harfe in G-Dur. Sie steht da und die Tränen laufen ihr die Backen hinunter.
    Dann verstummt die Harfe.
    Lara wartet und hofft. Aber das Konzert ist wohl zu Ende. Von ferne hört sie Stühle, die gerückt werden.
    Eine Harfe. Irgendwo ganz in der Nähe spielt jemand Harfe.
    Morgen wird sie sich auf die Suche machen.
    Wie im Traum geht Lara aus dem Badezimmer an Pieter vorbei, der ihr verärgert nachruft: »Die nächste Wasserrechnung schicke ich an Henk!« Sie geht in die Wohnung gegenüber, legt sich ins Bett und stopft die Decke ganz fest um sich herum. Zum ersten Mal seit Wochen schläft sie, ohne dass die schlimmen Albträume kommen. Stattdessen sitzt sie im Pfannkuchenhaus und lauscht dem Harfenspiel ihrer Großmutter. Die himmlischen Töne breiten sich in Laras Körper aus, dann heben sie sie hoch und schweben mit ihr davon.

18
    »Eine Harfe! Ich muss sie finden!« Aufgeregt wirbelt Lara am nächsten Morgen mit den Händen vor Sandras Gesicht herum.
    »Ist ja gut, Lara! Setz dich endlich hin und iss deinen Pfannkuchen.«
    »Eine Harfe!«
    »Ich hab’s gehört. Eine Harfe! Und?«
    »Verstehst du nicht? Ganz in der Nähe.«
    Sandra nimmt einen großen Schluck von ihrer heißen Schokolade. Sie wischt den weißen Sahneschaum von ihren Lippen und sagt dann: »Dies ist nicht der Ort für Harfen, Lara! Die Engel spielen Harfe, soweit ich mich erinnere. Hast du hier Engel gesehen? Ganz ehrlich, die würden auf der Stelle davonfliegen, wenn sie sehen würden, was hier abgeht.«
    »Vielleicht sind sie gerade deshalb hierhergekommen.«
    »Ach, Lara!«
    »Sie ist hier und ich muss
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