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Weil du fehlst (German Edition)

Weil du fehlst (German Edition)

Titel: Weil du fehlst (German Edition)
Autoren: Jana Frey
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die plötzlich um mich herum waren, mich an die frische Luft brachten. Wieder war Mr Rosen da, als ich mich soweit beruhigt hatte, dass ich die Augen öffnen konnte. Ich schaute aus meinen grauen Augen in seine hellbraunen.
    »Geht es wieder?«, fragte seine Stimme, und mit einem Taschentuch wischte er mir über die heiße, brennende Stirn.
    Wir waren vor dem Auditorium. Kühle Luft berührte mein Gesicht. Ich nickte benommen. Ich musste, warum auch immer, für einen Moment an Darius Seaborn denken, der sich jetzt in aller Ruhe das entscheidende Red-Sox-Spiel der Saison ansah. An seine blumenblauen Augen. An seinen kleinen Bruder, der Lester hieß, Les genannt wurde, und den ich noch nie gesehen hatte.
    Hinter den nun wieder geschlossenen Türen zum Auditorium brandete Applaus. Der Poetry Slam ging weiter.
    »Kassandra, ist es okay, wenn wir kurz noch mal reingehen?«, erkundigte sich Selma. »Gleich ist Gretchens Auftritt …«
    Gretchen war Selmas jüngere Schwester und im gleichen Jahrgang wie Oya.
    Ich nickte und sah zu, wie Selma und Mercedes wieder im Auditorium verschwanden.
    »Geht es wieder?«, fragte Mr Rosen. Er saß neben mir auf den kolosseumartigen Stufen des Vorraums zum Auditorium, seine Jacke auf den Knien.
    Ich nickte, während sich silbernes Mondlicht an den roten Backsteinwänden um uns herum entlangtastete.
    »Was ist überhaupt passiert?«, hakte Mr Rosen nach. »Wieder dein Kreislauf? Du warst schrecklich blass, als du herauskamst.«
    Ich schwieg und hatte auf einmal wieder diesen Orangenduft in der Nase. Marjorie Armadillos Orangenduft.

    Aus dem Leben von Marjorie und Geoffrey Armadillo :
    Ich weiß nicht viel von ihnen. Okay, Marjorie roch nach Orangen und trug Bernsteinketten. Aber ansonsten? Ansonsten hatte sie außer meinem Dad keine weiteren Kinder. Wie war es ihr gegangen, als er gestorben war? Und Geoffrey Armadillo? Über ihn wusste ich gar nichts.
    ICH: Rabea, wann ist er gestorben?
    RABEA: Wer?
    ICH: Mein Grandpa. Raymonds Vater.
    RABEA: Vor deiner Geburt. Ein paar Jahre vor deiner Geburt.
    ICH: Kanntest du ihn?
    RABEA: Nur flüchtig. Ich hatte ihn ein paarmal gesehen.
    ICH: Wie war er? Und woran ist er gestorben?
    RABEA: Ach Kassandra, Liebling, das alles ist schrecklich lange her, wirklich. Er war ein Workaholic. Er war in der Solarenergiebranche ein recht hohes Tier. Sogar … Raymond kannte ihn ja kaum. Er hatte, wenn ich mich richtig erinnere, Probleme mit dem Herz. Schon lange.

    Ich beugte mich vor und griff nach meinem Rucksack, den Selma mit nach draußen gebracht hatte.
    »Nein. Mein Kreislauf ist in Ordnung, glaube ich«, sagte ich leise. »Es ist mehr …«
    Ich hielt inne.
    »Angst?«, fragte Mr Rosen rätselhafterweise. Ich schluckte und musste wieder an Milt denken, an seinen Poetry-Auftritt, an seine Worte, die mich so aus der Bahn geworfen hatten. Wieder mal.
    »Nein. Ja …«, begann ich, aber in diesem Moment öffnete sich die Tür zum Auditorium, und Mrs Rosen kam zu uns heraus.
    »Alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt.
    »Ja, alles in Ordnung«, antwortete ich schnell und stand auf.
    »Sollen wir dich nach Hause fahren?«, schlug Mr Rosen vor. Der Poetry Slam würde noch eine Weile dauern, aber die beiden mussten trotzdem aufbrechen, weil das Baby wach war und der Babysitter eine SMS geschickt hatte, dass es sich nicht beruhigen ließ.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich unschlüssig, aber dann ging ich doch mit. Selma und Mercedes würden bestimmt noch die anschließende Slampoetry-Party mitmachen wollen, und dazu fühlte ich mich außerstande.
    »Wie läuft es denn da drin?«, fragte Mr Rosen seine Frau, während wir den Anbau, in dem das Auditorium untergebracht war, verließen.
    Mrs Rosen schob sich eine rote Haarsträhne aus der Stirn. »Dieser Große, Dünne ist punktemäßig ganz vorne«, sagte sie. »Ich komme gerade nicht auf seinen Namen. Dieser Ernste, Blasse. Er hinkt beim Laufen. Hatte er nicht mal einen schweren Unfall?«
    »Ah, Milt Bennett«, sagte Mr Rosen. »Das freut mich. Er ist wirklich gut. Er hat auch beim letzten Mal gewonnen.«
    Milt Bennett. Ausgerechnet er. Was hatte er eigentlich genau gesagt, was mich so aus der Bahn geworfen hatte? Ich konnte mich beim besten Willen nicht erinnern.
    Mr Rosen wusste noch vom letzten Mal, wo ich wohnte.
    »Es tut mir leid, dass ich dauernd Umstände mache«, sagte ich verlegen beim Einsteigen.
    Beide Rosens lächelten mir zu. Sie stiegen vorne ein und ich hinten. Mrs Rosen telefonierte
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