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Weil deine Augen ihn nicht sehen

Weil deine Augen ihn nicht sehen

Titel: Weil deine Augen ihn nicht sehen
Autoren: Mary Higgins Clark
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gebracht hatte, so gut wie jedem vom Verschwinden der Zwillinge erzählt hatten. Jeden Moment konnten die ersten Reporter auftauchen. Das FBI war auch verständigt worden, die Agenten waren bereits unterwegs.
    Als sich die Küchentür öffnete und die Eltern der entführten Zwillinge hereinstürzten, war Martys Aufmerksamkeit aufs Äußerste gespannt. Seit seinem ersten Tag als frischgebackener einundzwanzigjähriger Polizist hatte er sich darin geübt, seinen ersten Eindruck von den Personen festzuhalten, die mit einem Verbrechen in Beziehung standen, seien sie nun Opfer, Täter oder Augenzeugen. Später hielt er diese ersten Eindrücke auch schriftlich fest. In Kollegenkreisen hatte er deswegen den Spitznamen »der Beobachter« abbekommen.
    Beide Anfang dreißig, dachte er, als Margaret und Steve Frawley mit raschen Schritten auf ihn zugingen. Ein gut aussehendes Paar, beide in Abendkleidung. Die Mutter trug ihr braunes, schulterlanges Haar offen. Sie war sehr schlank, doch ihre nervös zusammengeballten Hände wirkten stark. Die Fingernägel waren kurz geschnitten und farblos lackiert. Wahrscheinlich eine gute Sportlerin, dachte sich Marty. Ihre dunkelblauen Augen erschienen fast schwarz, als er ihrem durchdringenden Blick begegnete.
    Steve Frawley, der Vater, war groß, ungefähr eins neunzig, mit dunkelblondem Haar und hellblauen Augen. Er war breitschultrig und hatte starke Arme, seine zu knapp geschnittene Smokingjacke spannte an den Nähten. Müsste sich gelegentlich mal eine neue zulegen, dachte Mary.

    »Ist unseren Töchtern etwas zugestoßen?«, fragte Frawley atemlos.
    Marty sah zu, wie Frawley seine Hände auf die Arme seiner Frau legte, als ob er sie gegen eine möglicherweise schreckliche Nachricht wappnen wolle.
    Es gab keine schonende Art, den Eltern mitzuteilen, dass Unbekannte ihre Kinder entführt und auf dem Bett eine Lösegeldforderung über acht Millionen Dollar hinterlegt hatten. Der Ausdruck fassungsloser Ungläubigkeit, der sich in den Mienen des jungen Paares abzeichnete, schien echt zu sein, überlegte Marty, ein Eindruck, den er später in seinem Notizbuch festhalten würde, wenn auch mit einem Fragezeichen versehen.
    »Acht Millionen Dollar! Acht Millionen Dollar! Warum nicht gleich achtzig Millionen?«, rief Steve Frawley mit kreidebleichem Gesicht. »Wir haben alles, was wir besaßen, zusammengekratzt, um dieses Haus zu kaufen. Im Moment haben wir vielleicht fünfzehnhundert Dollar auf dem Konto, mehr nicht.«
    »Besitzt einer von Ihnen vielleicht vermögende Verwandte?« , fragte Marty.
    Die Frawleys brachen in Lachen aus, ein kreischendes, fast hysterisches Lachen. Marty sah zu, wie Steve seine Frau an sich zog und umarmte. Das Lachen erstarb, sie klammerten sich aneinander. Sein Körper bebte unter lautlosen Schluchzern, während sie aufheulte: »Das ist nicht wahr. Das kann einfach nicht wahr sein.«

3
    UM ELF UHR KLINGELTE das besondere Handy. Clint nahm es aus der Tasche. »Hallo, Sir«, meldete er sich.
    »Kater Karlo hier.«
    Dieser Typ, wer auch immer er ist, versucht, seine Stimme zu verstellen, dachte Clint, während er durch das kleine Wohnzimmer lief, um sich so weit wie möglich von Angie zu entfernen, die noch immer die Zwillinge in den Schlaf sang. So ein Schwachsinn, die Kleinen schlafen sowieso längst, ärgerte er sich. Kann sie denn nicht endlich Ruhe geben?
    »Was ist das für ein Geräusch im Hintergrund?«, fragte Kater Karlo scharf.
    »Meine Freundin singt den Kindern, die sie hütet, noch ein Lied vor.« Clint war klar, dass Kater Karlo genau diese Information gewünscht hatte. Lucas und er waren also erfolgreich gewesen.
    »Ich habe Bert nicht erreicht.«
    »Ich soll Ihnen von ihm ausrichten, dass er um fünf Uhr in der Früh jemanden zum Kennedy Airport bringen muss. Er ist nach Hause gefahren, um ein bisschen zu schlafen, deshalb hat er sein Handy ausgeschaltet. Ich hoffe, es …«
    »Harry, schalten Sie den Fernseher ein«, unterbrach Kater Karlo. »Es gibt gerade eine Sondersendung über die Entführung. Ich melde mich morgen früh wieder.«

    Clint griff nach der Fernbedienung und drückte auf den Knopf. Auf dem Bildschirm erschien das Haus an der Old Woods Road. Obwohl der Nachthimmel bedeckt war, konnte man im Licht der Eingangsveranda die abblätternde Farbe und die schief hängenden Fensterläden erkennen. Die gesamte Vorderfront war mit gelbem Plastikband abgeriegelt, um Presse und Schaulustige vom Tatort fern zu halten.
    »Die neuen Eigentümer,
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