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Weihnachtsgeschichten am Kamin 02

Weihnachtsgeschichten am Kamin 02

Titel: Weihnachtsgeschichten am Kamin 02
Autoren: Ursula Richter , Stubel,Wolf-Dieter
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Mann hinterher. Da entdeckte ich ihn am Schalter, nur eine Frau war vor ihm, aber mit einem Hündchen auf dem Arm. Wie ich später erfuhr, löste die Frau eine Fahrkarte für ihren Hund — und das dauerte. Inzwischen rannte ich zurück durch den Tunnel. Der Zug rollte über mir ein, und als ich in der Treppenöffnung zum Bahnsteig auftauchte, setzte der Schaffner die Trillerpfeife an den Mund und hob mit der anderen Hand die Kelle, um dem Lokführer das Zeichen zur Abfahrt zu geben. Aber er hatte mich entdeckt und half mir ins Abteil. Nun war ich drin, und da kam auch schon mein Mann die Treppe hinaufgestürzt, sprang auf den anfahrenden Zug, und wir hatten es geschafft. Lange Zeit sagten wir kein Wort. Wir waren außer Atem, mir zitterten die Beine vom Laufen und Treppensteigen, die Arme vom Gepäcktragen. Wir fanden einen Sitzplatz und kamen langsam zur Ruhe. Die Hoffnung, daß wir zwischen 22 und 23 Uhr, noch am Heiligen Abend also, zu Hause wären, stieg. Ich war glücklich.
    Schnell waren wir in Hannover. Nach längerem Aufenthalt ging es dann weiter nach Hildesheim. Wieder Aufenthalt. Dann aber erreichten wir endlich Seesen am Harz. Und von hier aus trennten uns nur noch wenige Kilometer vom ersehnten Ziel unserer Reise. Es war nun schon nachts halb zwölf. Aber der Schienenbus aus Richtung Goslar lief ein und wir konnten einsteigen. Nur packte der Fahrer seine Tasche und wandte sich dann an uns. Er fragte nach unserm Ziel. Dann eröffnete er uns, daß der Zug hier eine Stunde Aufenthalt hätte und er das Licht löschen müsse; aber die Heizung wolle er weiterlaufen lassen, damit wir es warm hätten. Die Hast war nun überstanden, das Ziel zu erreichen, war gewiß. Da konnten wir zum erstenmal an diesem Tag zu Brot und Wurst greifen und in Ruhe die arg strapazierten Kräfte wieder auffüllen.
    Der Triebwagen stand etwas außerhalb des überdachten Bahnsteigs. Leise säuselte der Wind um den Wagen. Die trübe Beleuchtung des Bahngeländes tauchte das Innere des Wagens in ein Halbdunkel. Da tanzten auf einmal leichte weiße Flocken in der Luft, es fing an zu schneien. Und wenn es auch wie erdichtet klingen mag, die Flocken wurden größer und es schneite immer mehr. Der Bahnsteig trug bald eine geschlossene Schneedecke, und immer weiter wirbelten die Flocken im kegelförmigen Schein der Laternen. Die Stunde auf dem Bahnhof verdiente zu Recht den Namen Stille Nacht.
    Dann näherten sich knirschende Schritte, der Schaffner und ein Fahrgast stapften durch den Schnee heran. Lautes metallenes Gepolter zerstörte die Stille. Dann aber brummte der Dieselmotor wieder — gedämpft durch den Schnee — in angemessenem Klang und zog uns durch die Winternacht.
    Was würden sie zu Hause wohl sagen? Mein Herz schlug höher vor Erwartung und vor Freude, als ich mir ausmalte, wie überrascht und glücklich meine Mutter und meine Schwestern wären, wenn wir vor der Tür stünden.
    Auf dem Bahnhof waren wir die einzigen. Nun mußten wir noch einen Kilometer durch die Winterlandschaft bis ins Dorf gehen. Es war wunderschön: Die Stille der Weihnacht, die großen weißen Flocken, und wir zwei allein in der Landschaft. Kein Heimweh drückte mehr, ich war innerlich so gelöst, denn ich war ja wieder daheim.
    Als wir vor dem Haus, in dem meine Mutter mit meinen kleinen Schwestern wohnte, ankamen, war natürlich alles dunkel. Mein leises Rufen hörte niemand. Die Schneebälle, die wir vorsichtig ans Fenster warfen, weckten keinen aus dem Schlaf. Zum Glück wohnte meine verheiratete ältere Schwester nicht weit von meiner Mutter, und ihre Wohnung lag zu ebener Erde. Bei ihr klopften wir ans Fenster. Sie hörte uns, traute aber ihren Ohren nicht und fing genau wie ich vor Freude an zu weinen.
    Mein Schwager holte meine Mutter und meine jüngeren Schwestern, und dann feierten wir alle richtig Heiligabend bis früh um acht des ersten Feiertags.
    Von da an hatte ich mein Heimweh überwunden, und im kommenden Jahr feierten wir Weihnachten allein.

    Fritz Willms

Insulaner sind zäh!

    Diese Geschichte spielt in meiner Kindheit, im ersten Kriegswinter. Meine Eltern und wir fünf Kinder lebten auf der Insel Spiekeroog. Meine Eltern, inzwischen sehr betagt, leben noch jetzt dort, ich selber inzwischen in Leer, nach einigen Wanderjahren in der weiten Welt, als Schiffbauer u. a. in Indien und Brasilien.
    Vor einigen Tagen besuchte ich meinen Vater, 86 Jahre, zu seinem Geburtstag auf der Insel. Er freute sich sehr, daß ich trotz Schneesturm und
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